Chronik/Wien

Corona wird Geschichte: Wien Museum bekam 500 Ideen für Exponate

Zwei Tage hat es dauert, dann lag es vor der Wohnungstüre: ein Puzzle mit 1.000 Teilen, Motiv „Stephansdom“, Sonder-Edition. 

Die Wienerinnen Jana Welz und Anita Klemenjak halten sich damit während der aktuellen Coronavirus-Pandemie bei Laune: „Da die Geschäfte alle zu haben, haben wir im Stiegenhaus einen Zettel aufgehängt, ob uns jemand ein Puzzle borgen würde.“

Eine Nachbarin zeigte sich dazu bereit.

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Objekte wie dieses Puzzle und die dazugehörigen Geschichten sucht derzeit das Wien Museum. Um das Geschehen rund um das Coronavirus zu dokumentieren, bittet das kommunale Museum um Fotos von Gegenständen, die für den momentanen Alltag der Wiener stehen. Eine Auswahl von Gegenständen soll dann in die Sammlung der Stadt Wien übernommen werden.

Die Aktion findet großen Anklang: Seit dem Start am Mittwoch sind rund 500 Fotos eingelangt – im Minutentakt kämen weiter dazu, heißt es aus dem Wien Museum.

Stadtgeschichte mitgestalten

„Der Ausbruch des Coronavirus und die Maßnahmen dagegen verändern das Leben in Wien radikal. Wie wird man in den kommenden Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten auf diese Zeit zurückblicken?“, lautet die Fragestellung des Wien Museums. Gesucht werden konkrete Objekte. Fotos davon können derzeit mit einer kurzen Erklärung an wien2020@wienmuseum.com gesendet werden. Das Museum meldet sich anschließend, um geeignete Objekte abzuholen, sobald das wieder möglich ist. Eine Auswahl der bereits eingeschickten Vorschläge ist hier zu sehen. 

Auf dem Laufenden bleiben

Hinter den  geschlossenen Türen des Wien Museums gehen die Sammlungs- und Forschungsaktivitäten weiter. Wie, ist online nachzulesen: 80 Artikel  (viele davon mit Bezug zu Corona) wurden hier bereits veröffentlicht. Darunter ist ein Text  über die Bedeutung von Hygiene für die Bauwerke von Otto Wagner. 

Darunter: Viele Stimmungsbilder vom leeren Wien, Selfies oder verkleideten Haustieren, sagt Sprecherin Konstanze Schäfer im Gespräch mit dem KURIER.

Physisch ins Museum schaffen werden es diese Vorschläge wohl nicht. Denn: „Es möchte ja dann niemand seine Katze für die Ausstellung abgeben.“

Kreative Seniorin

Potenzielle Exponate – mit teils rührenden Geschichten dahinter – befinden sich aber auch unter den Einsendungen. Zum Beispiel ein handbeschriebener Zettel, den eine ältere Dame an die Fensterscheibe ihres Pensionistenwohnhauses gehalten hat. „Liebe Familie! Mir geht es wirklich gut. Passt auf euch auf. Wir schaffen das. Viele Bussis an alle, eure Oma“, ist darauf zu lesen.

Zwei Mitbewohner der Seniorin waren zuvor positiv auf das Coronavirus getestet worden, das Heim stand deshalb unter Quarantäne. Um das Kontaktverbot erträglicher zu machen, überraschte die Frau ihre Familie am Fenster mit dem Zettel.

Durchhalte-Parolen finden sich auch auf Balkonen und Loggias. Etwa in der Ettenreichgasse im 10. Bezirk, wie eines der eingeschickten Bilder zeigt. „Alles wird gut!“, ist dort auf einem Banner am Geländer zu lesen.

Die Ideen für Exponate langten ein:

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„Solche Gegenstände laufen Gefahr, mit Ende der Corona-Krise rasch weggeworfen zu werden“, sagt Sprecherin Schäfer. Das will das Wien Museum mit seinem Sammelprojekt verhindern. Künftigen Generationen soll so ein Eindruck vom Leben in einer „extremen Zeit“ vermittelt werden.

Tägliche Kissenschlacht

Wie herausfordernd dieses neue Leben sein kann, verdeutlicht ein Foto von einer karierten Nackenrolle. „Ich bin mit meinen Söhnen, drei und fünf Jahre, in Quarantäne und wir veranstalten jeden Tag mindestens einmal eine Polsterschlacht“, schreibt Einsenderin Dana Braumann. „Das powert uns alle richtig gut aus und hilft auch gegen Spannungen und Aggressionen durch das ständige Zusammensein.“

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Um noch mehr derartige Gegenstände aufzuspüren und zu bewahren, wird das Wien Museum nun gezielt bestimmte Berufsgruppen um Vorschläge für Exponate bitten – etwa die Polizei, die Feuerwehr oder Medizinier. „Die haben wahrscheinlich ganz spezielle Gegenstände, die wir uns nicht einmal vorstellen können“, sagt Schäfer.

Ausstellen kann das Wien Museum die zusammengekommen Objekte jedenfalls erst, wenn die Pandemie vorbei ist. Die Zuversicht, dass dieser Tag kommen wird, will es mit seinem Aufruf stärken. „Die Aktion impliziert, dass es auch eine Zeit nach Corona gibt“, sagt Schäfer. „Dieser Gedanke sollte uns begleiten.“