Anschlag auf Weihnachtsmarkt: Taleb A. drohte mehrmals mit Straftaten
Der mutmaßliche Täter des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ist vor mehreren Jahren in Mecklenburg-Vorpommern wiederholt mit der Androhung von Straftaten aufgefallen. Im Jahr 2013 wurde er vom Amtsgericht Rostock zu 90 Tagessätzen wegen Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten verurteilt, wie Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) bei einer Pressekonferenz in Schwerin sagte.
Zuvor hatte der Spiegel über das Urteil berichtet. Dem Minister zufolge hat der heute 50-jährige Taleb A. von 2011 bis Anfang 2016 in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und in Stralsund Teile seiner Facharzt-Ausbildung absolviert. In einem Streit um die Anerkennung von Prüfungsleistungen habe er gegenüber Vertretern der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern mit einer Tat gedroht, die internationale Beachtung bekommen werde. Dabei habe er auf den Anschlag beim Boston-Marathon verwiesen.
Keine islamistischen Bezüge gefunden
Im Zuge der Ermittlungen gab es laut Pegel auch eine Durchsuchung bei dem Mann. Es seien jedoch keine Hinweise auf eine reelle Anschlagsvorbereitung gefunden worden, ebenso keine islamistischen Bezüge. „Im Gegenteil, er schien sich zu distanzieren und Gegenteiliges zu vertreten“, sagte Pegel.
Im Januar 2014 gab es demnach gegen den Mann den Verdacht der Nötigung. Er wollte bei einer Behörde in Stralsund Hilfe zum Lebensunterhalt beantragen und soll für den Fall, dass er die Hilfe nicht bekommt, mit Handlungen gedroht haben, die internationale Beachtung bekommen würden. Er soll im Amt überdies gedroht haben, sich umzubringen, falls sein Ansinnen abschlägig beschieden werde.
Gefährderansprache
Daraufhin habe es eine sogenannte Gefährderansprache der Polizei gegeben, berichtete Pegel weiter. Der Mann sei auf Konsequenzen solcher Taten hingewiesen worden und ihm sei gesagt worden, dass man einen sehr viel genaueren Blick auf ihn haben werde.
Im Mai 2015 soll es dann noch einmal in einem Schreiben an Justizbehörden zu einer Beleidigung gekommen sein. Dabei habe der Mann aus Saudi-Arabien Bezug auf die Verurteilung von 2013 genommen.
In einer Petitionshotline einer Bundesbehörde habe er sich im September 2015 zudem beschwert, die betreffenden Richter von 2013 in Rostock seien Rassisten. Er habe dabei Überlegungen angedroht, sich eine Pistole zu besorgen und im Zweifel Rache an den Richtern nehmen. Überdies soll er gesagt haben, das Grundgesetz sei per se ausländerfeindlich.
Nicht als Gefährder eingestuft
Als Gefährder sei der Mann aber nicht eingestuft worden, sagte Pegel. Dazu brauche man normalerweise Verdachtsmomente mit ideologischem Bezug. Diese hätten bei ihm nicht vorgelegen.Der Minister erklärte, keine genaueren Informationen geben zu können, da nach dem Ablauf gesetzlicher Fristen viele Unterlagen bereits vernichtet seien.
Asyl als politisch Verfolgter
Im Februar 2016 beantragte er nach Informationen der dpa einen Asylantrag, über den im Juli desselben Jahres entschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt Asyl als politisch Verfolgter.
Er wohnte zuletzt in Bernburg, einer kleinen Stadt knapp 50 Kilometer von Magdeburg, entfernt. Dort arbeitete er als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzug und kümmerte sich um suchtkranke Straftäter. Das teilte das Gesundheitsunternehmen Salus mit. Seit März 2020 sei er in der Einrichtung tätig gewesen. "Seit Ende Oktober 2024 war er urlaubs- und krankheitsbedingt nicht mehr im Dienst", hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens, das in Bernburg ein Fachklinikum für Psychiatrie und Suchtmedizin betreibt.
"Er heißt bei uns "Dr. Google"
Doch in der Belegschaft gab es offenbar Misstrauen an dem Arzt und Zweifel an seinen Kompetenzen. Die "Mitteldeutsche Zeitung" zitiert einen Mitarbeiter: "Er heißt bei uns "Dr. Google"." Vor jeder gestellten Diagnose habe er im Internet nachschauen müssen. Es habe auch Hinweise an die Klinikleitung gegeben. Die Klinik wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Neben seiner Tätigkeit als Arzt ist Taleb A. als Aktivist und vehementer Islamkritiker unterwegs - vor allem in den sozialen Netzwerken, wo ihm schon vor dem Anschlag mehr als 40.000 Menschen folgen. Im Juni 2019 erschien ein Interview mit Taleb A. in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte", sagte er damals. Neben seinen Beiträgen in den sozialen Netzwerken beriet Taleb A. nach eigenen Aussagen Frauen unter anderem aus Saudi-Arabien bei Asylfragen und vermittelte deren Kontakt auch an internationale Medien.
Streit mit Flüchtlingshilfe: "Er wird schnell aggressiv."
Dabei legt er sich auch mit der Säkularen Flüchtlingshilfe Deutschland an, einem Verein, der sich um die Interessen atheistischer Flüchtlinge kümmert. Seit 2019 habe es Kontakt mit Taleb A. nur noch über Anwälte und Gerichte gegeben, hieß es in einem Statement des Vereins. Nach "übelsten Verleumdungen und verbalen Angriffen" hätten Mitglieder der Flüchtlingshilfe Anzeige gegen Taleb A. bei der Polizei erstattet. Daraufhin habe es einen Prozess am Landgericht Köln gegeben.
Mitglieder des Vereins beschreiben die zwei Seiten des Mannes. "Er hat zwei Leben gehabt", sagte die iranische Menschenrechtsaktivistin Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime der Deutschen Presse-Agentur. Wenn man länger mit ihm zu tun gehabt habe, habe man ein komisches Gefühl gehabt. Er habe Mitglieder des Vereins regelrecht terrorisiert, sagt Ahadi.
Vor einem Jahr habe es eine Strafanzeige gegen den heute 50-Jährigen gegeben, bestätigte die Staatsanwaltschaft Magdeburg. Eine Gefährderansprache sei auch hier geplant gewesen, sei aber nicht durchgeführt worden. Auch Menschenrechtsaktivistin Ahadi spricht von Drohungen, die Taleb A. während des Prozesses ausgestoßen habe. "Er wird schnell aggressiv."
Saudi-Arabien hatte Deutschland gewarnt
Auch in den sozialen Medien werden seine Beiträge wirrer und radikaler. "Ich erwarte ernsthaft, dieses Jahr zu sterben", hieß es auf X-dem Account von Taleb A. im Mai dieses Jahres. "Ich werde Gerechtigkeit um jeden Preis herbeiführen." Die deutschen Behörden würden alle Wege zur Gerechtigkeit blockieren. Ob der Saudi die Beiträge wirklich alle selbst verfasste, war zunächst nicht klar. Für Irritation sorgte etwa ein Post, der wenige Minuten nach dem Anschlag von Magdeburg veröffentlicht wurde.
Saudi-Arabien hatte Deutschland saudischen Sicherheitskreisen zufolge vor dem Mann gewarnt. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt. Darauf habe Deutschland nicht reagiert, hieß es. Den Sicherheitskreisen zufolge stammt er aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens und war Schiit. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte von Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land.
Erst vor rund zehn Tagen veröffentlichte die amerikanische Plattform RAIR, die sich selbst als antimuslimische Graswurzel-Organisation beschreibt, ein mehr als 45 Minuten langes Interview mit dem Arzt. Darin wirft er unter anderem der deutschen Polizei vor, "geheime Operationen" durchzuführen und das Leben von saudischen Asylsuchenden, die sich vom Islam losgesagt hätten, gezielt zu zerstören. Zudem äußerte er sich als Fan von X-Inhaber Elon Musk und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge. Gleichzeitig bezeichnete er sich aber politisch als links. "Ich bin nicht rechts, ich bin ein Linker."