Südkorea: Schwangere sollen „kochen, putzen und attraktiv sein“
Von Irene Thierjung
Ist die Rede von Südkorea, denken Europäer in erster Linie an High-Tech, Innovation und große Elektronikfirmen wie LG oder Samsung. Für Frauen in Südkorea ist das Leben allerdings nicht so fortschrittlich, wie das Image der asiatischen Wirtschaftsmacht vermuten lassen würde. Der fest in der Gesellschaft verankerte Patriarchalismus propagiert ein Frauenbild, das an vergangene Zeiten erinnert.
"Der Mann kann nicht kochen"
„Hängen Sie Kleidung, die Sie vor Ihrer Hochzeit getragen haben, oder Kleidung in kleinen Größen, die Sie nach der Geburt wieder tragen möchten, gut sichtbar auf“, hieß es jüngst in einem Internet-Ratgeber der Stadtregierung von Seoul für schwangere Frauen und Mütter. „Wenn Ihnen danach ist, mehr zu essen als Sie sollten, oder Sie das Training ausfallen lassen wollen, wird ein Blick auf die Kleidung Sie motivieren.“
Geordnet nach Schwangerschaftsphasen finden sich in dem Papier zahlreiche Tipps wie aus Frauenmagazinen der 1950er-Jahre. Da die Frau nach der Geburt einige Tage im Spital verbringen werde, solle sie kurz vor dem Entbindungstermin den Gefrierschrank ausmisten und „Speisen wie Curry oder Suppe“ vorkochen. Dann könne sich der Ehemann, „der nicht kochen kann“, in ihrer Abwesenheit „bequem“ versorgen. Und weiter: „Legen Sie Unterwäsche, Socken und Kleidung für Ehemann und Kinder in einer Lade bereit, für drei bis sieben Tage“.
"Besorgen Sie sich ein Haarband!"
Ist das Baby erst einmal da, gilt es, attraktiv zu bleiben. „Besorgen Sie sich ein Haarband“, rät die Stadtregierung, „um nicht zerzaust auszusehen, wenn sie sich einige Tage nicht die Haare waschen können.“ Was von den werdenden Vätern erwartet wird, ist schnell gesagt: Nichts.
Der Aufschrei ist groß, vor allem in den Sozialen Medien. „Glauben die wirklich immer noch, dass verheiratete Frauen die Haushälterinnen ihrer Ehemänner sind?“, heißt es in einem der vielen Postings.
Eine wachsende Zahl an Frauen will es nicht mehr hinnehmen, hinter Männern zurückstecken zu müssen. Laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2017 verdienen Frauen in Südkorea 40 Prozent weniger als Männer – es handelt sich um den größten Lohnunterschied aller 37 OECD-Länder. Haben sie Kinder, beenden viele Frauen die Erwerbsarbeit, oft unter dem Druck der Familie oder des Arbeitgebers.
Weltweit niedrigste Geburtenrate
Die Geburtenrate im überalterten Land ist dabei die weltweit niedrigste, 2020 sank die Einwohnerzahl erstmals. Anstatt an Männer zu appellieren, sich zuhause zu engagieren, würde den Frauen neben der Rundum-Versorgung der Kinder weiter auch die ihres Manner umgehängt, sagen Kritiker. Nach dem Grund für die niedrige Geburtenrate müsse man nicht lange suchen, meint ein Social Media-User. „Er liegt genau hier.“
Die Stadtregierung hat die am meisten kritisierten „Ratschläge“ übrigens mittlerweile entfernt, Screenshots davon kursieren weiter im Netz. Laut New York Times will Seoul die Online-Inhalte überprüfen und Schulungen in „Geschlechter-Sensibilität“ für alle städtischen Angestellten organisieren.