Chronik/Österreich

1G beim Après Ski, Lockdown für Ungeimpfte: Der Werkzeugkasten für den Corona-Herbst

"Wir sind tatsächlich in der vierten Welle, das ist unbestreitbar." So formulierte es Herwig Kollaritsch, Infektiologe und Mitglied des Nationalen Impfgremiums. Österreich wird von der vierten Welle erfasst – und das deutlich früher als dies bei der zweiten Welle im Herbst vergangenen Jahres der Fall war. Die Infektionszahlen steigen stet und liegen über denen im Vorjahr, die Belegung auf den Normal- wie Intensivstationen ebenso.

Nach all den Erfahrungen des letzten Jahres könnte man annehmen, die Regierung hätte schon längst konkrete Pläne vorliegen, wie man auf die steigenden Zahlen reagieren will. Schließlich haben sich im Laufe des "coolen Sommers" (Sager Sebastian Kurz) zahlreiche mahnende Experten-Stimmen erhoben und vor den Herausforderungen im Herbst gewarnt. Und davor, dass nicht ausreichend Leute bin in den Herbst geimpft sein könnten, denn eines zeigt sich: Die vierte Welle ist eine der Ungeimpften.

Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, äußerte gestern erst Kritik an der eingeschlafenen Impfkampagne der Bundesregierung. Die letzten Monate sei nicht genug getan worden, um Skeptiker von der Notwendigkeit, sich impfen zu lassen, zu überzeugen.

Das sei "schade, denn der Sommer hätte genutzt werden können, um gut aufzuklären, gut zu informieren und auch jene Menschen zu erreichen, die noch zögerlich sind“, so Foitik. Dadurch hätte es "wesentlich leichter" werden können, die vierte Welle zu bewältigen.

Bald aber soll ein "sehr konkreter Plan" vorgestellt werden, so kündigte es Wolfgang Mückstein zu Beginn voriger Woche an. Details nannte der Gesundheitsminister noch keine, man wollte sich noch mit dem Koalitionspartner abstimmen. Am Mittwoch werden die geplanten Maßnahmen vorgestellt.

Im Werkzeugkasten der Regierung werden sich allerdings nicht allzu viele neue Kniffe gegen die Pandemie befinden, somit wird es wohl ein Mix aus Altbekanntem und Bewährtem. In Interviews und Statements ließen der grüne Gesundheitsminister und der türkise Kanzler immer wieder Details durchblitzen, wie die Regierung mit Welle Vier umzugehen gedenke. Eine Übersicht:

Masken und Tests

Maskenpflicht: Geringer Aufwand, großer Nutzen: Gesundheitsminister Mückstein ist großer Freund der Maske. So wird sie wieder eine tragende Rolle in der Pandemiebekämpfung spielen, ihr wird ein fixes Comeback eingeräumt. "Die Basismaßnahmen müssen wieder verstärkt werden. Ich sag jetzt: Maskenpflicht indoor. Wir wissen, dass FFP2 da besonders sicher ist. Wir brauchen vor dem Hintergrund steigender Zahlen jetzt die sichersten Regeln,“ sagte Mückstein etwa in einem Interview von heute, Sonntag, mit Österreich.

Test-Gültigkeit: Auch könnte die Gültigkeit von Corona-Tests eingeschränkt werden. Wien hat diesen Schritt erst vor kurzem gesetzt. Seit September sind in Wien Antigen-Schnelltests nur mehr 24 statt bisher 48 Stunden gültig. Bei PCR-Tests wurde die Frist von 72 auf 48 Stunden reduziert. "Eine kürzere Gültigkeit der Tests schützt vor Infektion", betonte etwa Ärztekammer-Präsident Szekeres.

Mückstein begrüßt die Wiener Initiative. Mit einem Hinweis: Am Land sie eine Verkürzung der Testgültigkeit aufgrund größerer Entfernungen schwieriger umzusetzen, als etwa in der Stadt, betonte Mückstein. "In Wien geht das, da ist es möglich."

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Après Ski: Zutritt nur für Geimpfte

Aus für Gratis-Tests: Künftig könnten Tests nicht nur kürzer gültig sein, sie könnten auch kostenpflichtig sein. Ein Ende der Gratis-Tests steht im Raum. Immer mehr Landeshauptleute, überwiegend aus der ÖVP, sprachen sich in den letzten Tagen und Wochen gegen kostenlose Test-Möglichkeiten aus - darunter Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Hermann Schützenhöfer aus der Steiermark und Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Bei der SPÖ zeigt man sich ob dieser Überlegungen noch zurückhaltender. 

Klar sei aber, das betonte Johanna Mikl-Leitner, dass "die Kosten für die Testungen als auch für die Impfungen wesentlich günstiger sind als ein erneuter Lockdown".

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1G-Regel: Was Mückstein, als auch Kanzler Sebastian Kurz und einige Länderchefs bereits öfter ventiliert haben, ist die Ausweitung der 1G-Regel. Gilt sie derzeit für die Nachtgastronomie, könnte sie wieder auf andere Bereiche ausgedehnt werden. In den letzten Abstimmungen zwischen Gesundheitsminister und Kanzleramt wird die Regel für Veranstaltungen, Kultur-Events und ähnliche größere Zusammenkünfte diskutiert.

Après-Ski wird es künftig wohl nur mehr für Geimpfte geben, das scheint so gut wie fix. Generell soll für Stehpartys 1G gelten: "Das Virus unterscheidet zwischen ungeimpften Menschen und geimpften. Wir haben daher besonders heikle Bereiche, wo viele Ungeimpfte aufeinandertreffen. Ein Bereich ist die Nachtgastronomie, aber auch Stehpartys wie beim Après-Ski. Wir müssen die Ungeimpften schützen. Das heißt, dass Ungeimpfte in diese Risikobereiche keinen Zutritt haben sollen," so Mückstein in der Kronen Zeitung von Sonntag. Gegenüber Österreich unterstreicht der grüne Gesundheitsminister, dass es beim Après-Ski leicht zu Übertragungen komme, "weil viele Menschen auf engem Raum zusammen sind und vielleicht noch singen". Eine Umsetzung der Maßnahme hält der Gesundheitsminister ab Oktober für sinnvoll.

Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker warnt die Regierung davor, das zweite G - die Genesenen - zu ignorieren. Als Arzt müsse Mückstein wissen, dass die Immunität Genesener jener von Geimpften um nichts nachstehe, so Loacker. "Statt also immer öfter von 1G zu fantasieren, müsste die Bundesregierung endlich definieren, welche Antikörpertests anerkannt werden und wo die Schwellenwerte liegen."

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Lockdown für Ungeimpfte? Oberstes Ziel der Maßnahmen ist für Mückstein die Vermeidung von Schließungen. Doch ganz auszuschließen ist ein Lockdown nach Meinung vieler Experten nicht. Hier deutet Mückstein an, dass er sich im Fall eines Lockdowns Beschränkungen nur für Ungeimpfte vorstellen kann: "So wie es keinen Sinn macht, dass wir Geimpfte, von denen ein sehr niedriges epidemiologisches Risiko ausgeht, irgendwo nicht hineinlassen, so wichtig ist es, dass wir jene schützen, die nicht geimpft sind. Das ist sachlich gut zu begründen. Wie weit das geht, das besprechen wir gerade."

Rechtlich wären Einschränkungen für Ungeimpfte möglich, sagt Christoph Bezemek, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Graz, gegenüber dem KURIER: "Verfassungsrechtlich ist es zulässig, zwischen Geimpften und Ungeimpften zu differenzieren.“ Es müsse nur sachlich begründet werden.

Impfpflicht: Eine Impfpflicht wurde seitens der Regierung stets ausgeschlossen. Im Interview mit der Kronen-Zeitung von heute, Sonntag, erneuert Mückstein dies: "Ich halte eine allgemeine Impfpflicht für nicht zielführend. Das ist meine Erfahrung als Arzt, wo man mit Druck das Gegenteil erreicht." Allerdings gelte es, in gewissen sensiblen Bereichen, wie Krankenhäusern und Pflegeheimen, die Impfung voranzutreiben. "Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass nur Geimpfte in diesem Setting arbeiten."

Abstand halten: Ein Evergreen der Pandemiebekämpfung ist, ausreichend Abstand zu halten. Daran hält Mückstein im Krone-Gespräch weiter fest. "Ich glaube, dass die Distanzregel eine ganz wesentliche ist. Ich bin bei der Begrüßung immer noch bei der Faust."

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