Suche nach der richtigen Straße für Marko Feingold
Die Sache mit dem Ehrengrab war schnell beschlossen. Am Donnerstag segnete der Salzburger Stadtsenat die Kostenübernahme für ein Ehrengrab für Marko Feingold auf dem jüdischen Friedhof in Salzburg einstimmig ab. Der jahrzehntelange Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg starb im vergangenen September als ältester Holocaustüberlebender Österreichs mit 106 Jahren und war in Stadt und Land als Mahner gegen das Vergessen quer durch die politischen Parteien geschätzt.
Grundsätzlich sind sich die Parteien auch einig, dass eine Straße nach Feingold benannt werden soll. Welche es genau wird, darüber entwickelte sich aber eine politische Diskussion, die einigermaßen befremdlich ist.
Feingolds Witwe Hanna, die nunmehrige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, hatte den Wunsch geäußert, die Stelzhamerstraße in unmittelbarer Nähe der Salzburger Synagoge umzubenennen. Grüne Bürgerliste, Neos und KPÖplus berücksichtigten das auch in ihrem Antrag zur Umbenennung einer Straße. Der bekam aber keine Mehrheit.
Ältester Zeitzeuge
Marko Feingold war bei seinem Tod im September 2019 mit 106 Jahren Österreichs ältester Holocaust-Überlebender. Der 1913 in der heutigen Slowakei geborene Feingold war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und von 1979 bis zu seinem Tod Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg
Brückenbauer und Vermittler
Feingold war ein Vermittler im besten Sinne. Generationen von Salzburger Schülern berichtete er von den Gräueln des Nationalsozialismus auf einprägsame und dennoch humorvolle Art
Umstrittener Stelzhamer
ÖVP und SPÖ wollen die Arbeit einer Historikerkommission für belastete Straßennamen abwarten. Um den Namensgeber der Stelzhamerstraße, den Mundartdichter Franz Stelzhamer, gibt es nicht nur in Salzburg Diskussionen. Das Mauthausen Komitee (MKÖ), in dem Feingold jahrzehntelang Vorstandsmitglied war, bezeichnet Stelzhamer als „glühenden Antisemiten“.
In Oberösterreich scheiterte kürzlich ein Vorstoß für eine neue Landeshymne anstelle der von Stelzhamer gedichteten. „Es wäre pietätlos, ja absurd, würde die Stadt irgendeinen Platz oder irgendeine Brücke Marko Feingold widmen, aber weiterhin in unmittelbarer Nähe der Synagoge die Stelzhamerstraße dulden“, sagt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi.
Hanna Feingold brachte mit der Churfürst-Straße einen Alternativvorschlag ins Spiel. „Da ist das Juridicum, damit wäre die Straße auf vielen Briefköpfen“, sagt Feingold. Jedenfalls würde sie sich eine Straße und keine Brücke wünschen. „Damit er im Alltagsleben der Menschen in Salzburg nicht vergessen wird.“
Entscheidung dauert noch
Die symbolische Bedeutung von Straßennamen war Marko Feingold selbst durchaus bewusst. In einem Interview sagte er über Wien, wo er aufgewachsen war: „Der Renner-Ring muss weg.“ Als provisorischer Regierungschef habe Karl Renner veranlasst, eine aus dem KZ Buchenwald kommende Gruppe von österreichischen Juden nicht nach Wien durchzulassen, begründete Feingold seine Haltung.
Welche Straße seinen Namen bekommt, wird wohl erst kommendes Jahr entschieden, wenn die Arbeit der Historikerkommission vorliegt. Hanna Feingold mahnt die Politik aber zu Entscheidungen: „Die Frage der Umbenennungen wird nicht zum ersten Mal diskutiert. Aber man kommt und kommt nicht weiter.“
Ein Kriegstreiber in Graz
In Graz ist die Situation ähnlich. Eine Historikerkommission untersuchte rund 700 Bezeichnungen von Straßen und Plätzen, die nach Personen benannt sind: Sie bewertete 2018 bereits 82 von ihnen als bedenklich (12 Prozent), 20 davon sogar als sehr problematisch. Darunter nicht nur Namen ausgewiesener Nazis, sondern auch etwa die Conrad-von-Hötzendorf-Straße, benannt nach einem General, der nach heutiger Forschung als Kriegstreiber und Antisemit im Ersten Weltkrieg gilt.
Umbenennungen kommen aber für die Grazer ÖVP-FPÖ-Koalition nicht infrage, es sind erklärende Zusatztafeln geplant. Die ersten sollen im Herbst montiert werden, bis 2028 sollen so schließlich alle belasteten Straßenzüge entschärft sein.