Chronik/Österreich

Höchstrichter haben entschieden: Keine Lockerungen bei Sterbehilfe

Es ist nicht unbedingt ein Thema, das man zu Weihnachten erwarten würde: Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Sterben? Und was, wenn der oder die Betroffene zwar den Entschluss gefasst hat, aber selbst nicht mehr in der Lage dazu ist, den finalen Schritt einzuleiten?

Im vergangenen September wandten sich mehrere Schwerkranke mit diesem Thema an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Sie fordern eine Ausdehnung der aktuell gültigen Bestimmungen zur Sterbehilfe. Wochenlang haben die Höchstrichter über das sensible Thema beraten. Am Freitag gaben sie ihre Entscheidung bekannt.

Nur kleine Änderungen

Es wird keine Ausweitungen geben. Allerdings ist es verfassungswidrig, dass nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Sterbeverfügung nach einem Jahr das aufwändige Verfahren erneut durchlaufen werden muss. Das wird aufgehoben und tritt mit 1. Juni 2026 in Kraft.

In der Sterbeverfügung wird der Wille der Person festgehalten, selbstbestimmt sterben zu wollen. Vorab müssen Ärzte Aufklärungsgespräche führen und festhalten, dass die Person an einer schweren, unheilbaren Kranheit leidet.

Zudem sei das "Werbeverbot" in der Sache ebenfalls teilweise verfassungswidrig - eine Hürde für Betroffene, um überhaupt an die Information zu kommen, an welche Ärzte sie sich wenden können.

Nikola Göttling und Stefan Mezgolits waren zwei der Antragsteller. Beide leiden an unheilbarer Multipler Sklerose. Sie wollen nicht dahinsiechen, sondern den Zeitpunkt ihres Todes selbst bestimmen.

Doch es begleitet sie die Angst, den letztmöglichen Zeitpunkt zu erwischen. Nämlich den, zu dem sie das tödliche Präparat noch selbst einnehmen können – das ist aktuell Voraussetzung. „Das bedeutet großen Stress für mich. Wäre es möglich, dass mir jemand anderer beim Sterben hilft, wäre das für mich lebensverlängernd“, schilderte Göttling in einem KURIER-Interview.

Aktuelle Bestimmung 

Vor vier Jahren entschied der VfGH, dass Beihilfe zum Suizid nicht mehr automatisch strafbar ist. In Kraft trat die neue Bestimmung am 1. Jänner 2022. Seither haben zumindest 181 Menschen einen assistierten Suizid in Anspruch genommen. Eine genaue Zahl liegt nicht vor, nicht jeder Fall wurde entsprechend registriert.

Die Hürden dafür sind allerdings hoch. Betroffene würden oft einem „Spießrutenlauf“ ausgesetzt sein, wie Rechtsanwalt Wolfram Proksch sagt. Ärzte können ihre Unterstützung ohne Begründung verweigern. 

Informationen sind schwierig zu bekommen. „Die Angehörigen werden mit den Patienten alleine gelassen“, kritisiert Palliativmedizinerin Christina Kaneider. Und selbst eine bestehende Sterbeverfügung bedeutet aktuell für Betroffene Druck. Denn diese ist nur ein Jahr lang gültig, muss dann erneuert werden – Begutachtung und neuerliche Kosten inklusive. Und schließlich ist das tödliche Präparat, meist wird es in flüssiger Form ausgegeben, nur ein Monat lang haltbar.

"Eigentlich bin ich mit der Entscheidung sehr zufrieden", sagt Proksch. "Erst vor vier Jahren ist es darum gegangen, das Thema Sterbehilfe zu entkriminalisieren. Jetzt ist es darum gegangen, bürokratische Hürde abzubauen."

Dies sei auch gelungen. Das restriktive Werbeverbot wird aufgehoben, somit kommen Betroffene erst an die Informationen, welche Ärzte bereit sind, ihnen zu helfen. "Sehr erfreulich" sei es auch, dass die einjährige Frist der Sterbeverfügung fällt. "Im Vergleich dazu gilt eine Patientenverfügung acht Jahre. Das ist eine große Erleichterung", sagt der Rechtsanwalt.