Schüler wünschen sich, im Unterricht offen über den Islam zu sprechen
Von Johanna Kreid
Ob Snapchat, Tiktok oder Instagram: Jugendliche verbringen immer mehr Zeit in sozialen Netzwerken, manche acht oder neun Stunden täglich. Wie beeinflusst dieser intensive Konsum Lebensentwürfe und religiöse Ansichten junger Muslime?
Dieser Frage ging eine Studie nach, deren Ergebnisse am Freitag präsentiert wurden. Eine der Schlussfolgerungen: „Ja, das Internet spielt eine zentrale Rolle. Jugendliche können sich dort radikalisieren – aber auch de-radikalisieren“, so Religionspädagoge Ednan Aslan. Die Schüler wollen sich aber nicht nur online, sondern auch im realen Leben austauschen: Lehrer sollen das Thema Islam daher nicht meiden, sondern aktiv ansprechen.
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Für die Studie wurden 139 muslimische Schüler aus ganz Österreich im Alter von 14 bis 19 Jahren interviewt. Das Sample war breit gefächert, Schultyp und Migrationshintergrund sind unterschiedlich. Es besuchten auch nicht alle den islamischen Religionsunterricht, so der Soziologe Erol Yildiz.
Eher traditionelle Haltung
Grundsätzlich kristallisierten sich drei Gruppen heraus, erklären die Forscher: Rund 40 Prozent der Befragten zeigten eher eine traditionelle und unkritische Haltung in Bezug auf den Islam. „Sie haben feste Grenzen, innerhalb derer sie ihre Religiosität verorten“, sagt Aslan. Religion ist hier oft Teil der Identität, im Alltag leben sie nach Vorstellungen von haram oder halal; also verboten oder erlaubt. Der Bezug zur eigenen Familie ist meist ein enger, gleichzeitig können sich die Jugendlichen über das Internet aber etwa auch der Community in Kairo zugehörig fühlen.
Kritisch-reflektierte Haltung
Rund 38 Prozent legten eine kritisch-reflektierte Haltung an den Tag: Die Religion steht hier eher im Hintergrund, die Jugendlichen nutzten die sozialen Medien ähnlich wie ihre nicht-muslimischen Mitschüler. Die meisten Mädchen trugen kein Kopftuch .
Individuelle Religiosität
22 Prozent wiederum entwickeln – auch aufgrund verschiedener Einflüsse aus dem Internet – eine individuelle Religiosität: „Darunter war etwa eine junge Frau, die online Tanzkurse anbietet – was im realen Leben für sie nicht möglich wäre, da sie in einer konservativen Familie lebt“, beschreibt Aslan. Die Religiosität setzt sich hier also aus individuellen Mosaiksteinchen zusammen. Konservative und weltoffene Verhaltensweisen gleichzeitig zu leben, ist für die Jungen kein Widerspruch.
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Titel der Studie: „Muslimische Religiosität im digitalen Wandel. Vom Umgang Jugendlicher mit medialen Islambildern“ ist die neue Studie von Ednan Aslan (Institut für Islamisch-Theologische Studien, Wien) und Erol Yildiz (Fakultät für Bildungswissenschaften, Innsbruck).
139 Schüler in ganz Österreich im Alter von 14 bis 19 wurden dafür interviewt. Sie stammen aus unterschiedlichen Schultypen (NMS, AHS, BHS etc.).
Christen, Muslime: Laut Statistik Austria fühlen sich 745.600 Personen in Österreich dem Islam zugehörig, 6,1 Millionen bezeichnen sich als Christen (Daten aus 2021).
Insgesamt zeigten sich also rund 60 Prozent der befragten muslimischen Jugendlichen durchaus reflektiert – ein Wert, der künftig weiter steigen werde, so die Wissenschafter. Viele hätten gerade dank des Internets eine eigene, offenere Identität gefunden. „Das zeigt, dass eine europäische Prägung des Islam möglich ist“, erklärt Aslan. „Eine Teilnehmerin kam etwa aus einer traditionellen Familie aus Afghanistan, wollte ihre Sexualität aber selbstbestimmt definieren.“
Wichtig sei jedoch auch, die Medienkompetenz zu stärken. Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm kündigte in diesem Kontext via APA an, ab 2024 Seminare und Unterlagen anzubieten, die Jugendlichen helfen sollen, Strategien von Hasspredigern im Internet zu erkennen.
Mehr Gespräche im Unterricht
Was laut der Studie viele der Interviewten bisher jedoch vermissen, ist eine lebendige Diskussion im Unterricht: „Viele Lehrer meiden das Thema Islam aus verschiedenen Gründen, etwa weil sie nicht provozieren wollen“, erklärt Aslan. „Aber die Kritikfähigkeit der jungen Menschen gehört gestärkt, damit sie offen über den Islam zu sprechen lernen, ohne Kritik gleich als Angriff oder Beleidigung zu werten.“
Das betreffe übrigens nicht nur den Religionsunterricht, sondern alle Fächer. „Überraschenderweise plädierten viele der Interviewten außerdem für einen Ethikunterricht für alle, in dem offen über alle Religionen diskutiert werden kann“, fügt Yildiz hinzu.
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