Völkermarkt: "Wir haben massive Rutschungen im ganzen Bezirk"
Der Kampf zur Beseitigung der Hochwasserschäden ging am Sonntag in der Steiermark, Kärnten und dem Südburgenland weiter. Der Regen hat sich im Laufe der Nacht abgeschwächt oder hat ganz aufgehört.
Nachströmendes Wasser und durchnässte, abrutschende Hänge sorgten für die Feuerwehren für ständig neue Einsätze und Evakuierungen. Aber auch an anderer Front drohen Gefahren.
Flüsse wie Gurk oder Mur stiegen weiter stark an, andere wie die südsteirische Sulm hatten bereits die rote Hochwassermarke erreicht.
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Brückl: 20 Haushalte evakuiert
In Kärnten waren weiterhin fünf von zehn Bezirken von den Überschwemmungen betroffen.
Während sich die Lage in den neuralgischen Orten St. Paul im Lavanttal und Viktring bei Klagenfurt stabilisierte, der Krisenstab der Stadt von "erstmals einer leichten Entspannung der Situation" sprach, mussten in der Gemeinde Brückl (Bezirk St. Veit) 20 Haushalte mit rund 50 Personen wegen eines befürchteten Hangrutsches evakuiert werden. Ein Teil der Betroffenen verweigerte dies aber laut dem ORF.
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Auch in der Gemeinde Keutschach (Bezirk Klagenfurt-Land) mussten 20 Häuser evakuiert werden. In Klagenfurt komme die Feuerwehr mit dem Auspumpen der Keller nicht nach, da ständig Wasser nachlaufe.
Auch sei laut Stadtkommunikation das Kanalsystem am Rande der Aufnahmefähigkeit.
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Hotspot Völkermarkt
Ein Hotspot liegt nach Auskunft der Feuerwehren aktuell im Bezirk Völkermarkt. Zahlreiche Hänge drohen abzurutschen, die starken Regenfälle der letzten Tage haben die Böden vollständig durchtränkt. Sie sind nicht mehr aufnahmefähig.
"Die Lage hat sich in der Nacht verschärft ... Wir haben massive Rutschungen im ganzen Bezirk", erklärt Bezirkshauptmann Gert-Andre Klösch im Gespräch mit dem KURIER.
In dem Ortsteil Unterbergen wurden 42 Personen aus 15 Häusern evakuiert. Es gab bereits Schäden an Gebäuden.
"Wir hatten gestern um 20.35 Uhr einen massiven Hangrutsch mit zwei eingeschlossenen Personen. Von hinten hat ein weiterer Hang gedroht, abzurutschen. Wir mussten Leitern auflegen, um überhaupt zum Haus zu kommen", berichtet Benjamin Hanschitz, Feuerwehrkommandant von Völkermarkt, gegenüber dem KURIER.
Dann musste sich die Feuerwehr wegen zu hoher Gefahr für die Einsatzkräfte zurückziehen. "Unter den Betroffenen befindet sich auch eine Familie von einem Bauernhof. Die müssen zurück, ihre Rinder versorgen", erzählt der Kommandant.
Ein zweiter Hotspot liegt laut Bezirkshauptmann Klösch im Bereich der Gemeinde Globasnitz. Aufgrund von Verklausungen drohe dort der Feuersbergbach überzugehen.
"Sehr viel Wasser" sei aktuell auch im Raum Kühnsdorf - entsprechend seien dort zahlreiche Mannschaften mit Abpumpen beschäftigt.
Auch Straßenverbindungen sind betroffen: Die B82 im Raum Rechberg ist unterbrochen. Derzeit wird daran gearbeitet, zumindest wieder einen Fahrstreifen freizuräumen.
Frisch gesperrt werden musste die Straße nach Diex, weil es dort Rutschungen gegeben hat.
Black Hawk unterstützt
Aktuell sind zwei Hubschrauber im Einsatz und machen Aufklärungsflüge über den aktuell 16 großen Schadstellen. Ab Mittag etwa soll es Verstärkung geben: "Der Black Hawk ist angefordert."
Eingesetzt werden soll der Hubschrauber vor allem, um für die KELAG schweres Gerät und schwere Materialien an- und abtransportieren zu können. Mit den abrutschenden Hängen rutschen nämlich Strommasten mit ab, erklärt Klösch.
"Kommen an die Grenze der Belastbarkeit"
"Die Stimmung in der Bevölkerung" sei größtenteils "noch gut", sagt Kötsch. Aber hier müsse man freilich unterscheiden, wie betroffen einzelne Familien, Personen seien. "Der Zusammenhalt in der Bevölkerung ist groß."
Die Einsatzkräfte arbeiten mit vollen und vereinten Kräften. Doch trotz hoher Motivation würden schön langsam Kräfte schwinden. "Wir kommen an die Grenze unserer Belastbarkeit."
Bereits am 17., 18 und 19. Juli mussten Helfer zu zahlreichen, kräfteraubenden Einsätzen wegen starker Stürmer und entwurzelter Bäume ausrücken. In nur wenigen Tagen gab es damals 100 Einsätze.
Bäume als drohende Gefahr
Aus Sicht des Landes ist die Gefahr trotz nachlassender Regenfälle nicht gebannt. Am Nachmittag kann es vor allem im Süden und Südosten von Kärnten punktuelle Schauer geben.
Eine bereits öfter erwähnte Gefahr ist jene von Hangrutschungen. Aber auch ein anderer Bereich macht den Einsatzkräften momentan Sorgen: Bäume, in Kombination mit Wind.
Regenmengen von teils über 250 Liter pro Quadratmeter haben die Böden völlig durchweicht, Bäume sind dadurch nicht mehr sehr stabil verwurzelt und können bereits durch leichte Winde entwurzelt werden.
Diese Befürchtung hegen die Einsatzkräfte nun: dass es in den nächsten Tage selbst bei leichten Winden zu zahlreichen Entwurzelungen kommen wird.
Grundwasserspiegel
Kopfzerbrechen bereitet den Rettungskräften auch ein stark gestiegener Grundwasserspiegel.
Keller müssten immer wieder ausgepumpt werden, weil Wasser nachdrücke, berichtete der Kärntner Feuerwehrsprecher Hans-Jörg Rossbacher am Sonntag im ORF-Radio.
Lage in der Steiermark
Die Wetterlage in der Steiermark hat sich weitgehend beruhigt. Die Regenfälle zogen ins Oberland ab, waren dort aber nicht von sturzbachartigem Ausmaß. Für Sonntag sind für den Süden punktuell noch größere Schauermengen möglich. In der Obersteiermark wird noch ergiebiger Regen bis 30 mm erwartet.
In den meisten betroffenen Gebieten stiegen Pegel der Flüsse und Bäche. Der Pegelstand der Mur hat im Bereich Mureck den 10-jährigen Hochwasserstand (Durchfluss 1200 m3/s) erreicht. Das war zuletzt 2002 der Fall.
Im Oberlauf der Sulm gehen die Pegel derzeit stark zurück, auch die restlichen Flüsse der Steiermark zeigen einen gleichbleibenden, eher sinkenden Verlauf.
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Wasser aus Brunnen ungenießbar
Momentan ist das Siedlungsgebiet von Mureck durch Hochwasser bedroht, der dortige Campingplatz ist bereits von der Ausuferung der Mur betroffen. Die Feuerwehr ist vor Ort und errichtet Hochwasserbarrieren.
In der Gemeinde Straß in Steiermark, Ortsteil Lichendorf ist durch aufgeschwemmte Heizöltanks Heizöl ausgetreten. Es besteht nun die Gefahr durch verunreinigte Wasserbrunnen, das Wasser ist bei 65 Brunnen nun nicht mehr genusstauglich. Die dortigen betroffenen Bewohner werden mit Trinkwasserflaschen durch die Gemeinde versorgt. Es gibt unzählige Hangrutschungen, die derzeit durch Geologen des Landes und weitere zivile Geologen beurteilt werden.
Darüber hinaus gab es Murenabgänge in Obdach und Lobming, die die dortigen Verkehrswege getroffen haben.
Rutschungen im Minutentakt
Wie in Kärnten tritt auch in der Steiermark das Problem durchweichter Böden auf, Hangrutschungen und Murenabgänge sind die Folge. Sie werden derzeit teils im Minutentakt gemeldet. Bis Stand 10 Uhr Vormittag wurden 280 Rutschungen in der Steiermark verzeichnet.
Teils bedrohen diese Wohnhäuser und Infrastruktur. Viele Ortswasserleitungen, insbesondere im Bezirk Südoststeiermark sind gebrochen.
82 Personen evakuiert
"Die Lage in der Steiermark ist nach wie vor extrem angespannt. Während die Einsatzkräfte an vielen Orten immer noch gegen die Wassermassen kämpfen müssen, beginnen immer mehr Hänge abzurutschen.
Wir sind mit unseren Gedanken bei unseren betroffenen Landsleuten und können uns nur einmal mehr bei allen bedanken, die immer noch im Einsatz stehen und den Steirerinnen und Steirern in dieser schweren Situation unmittelbar helfen", so Landeshauptmann Christopher Drexler und Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang.