Chronik/Österreich

Marchfeld Schnellstraße: Höchstgericht mischt die Karten bei S8 nochmals neu

Im jahrelangen Rechtsstreit um die geplante Marchfeld Schnellstraße (S8) zwischen der Asfinag und dem Land Niederösterreich auf der einen Seite sowie Anrainern und Bürgerinitiativen auf der anderen Seite, hat nun der Verwaltungsgerichtshof ein Machtwort gesprochen. Die Höchstrichter haben auf Antrag des Landes Niederösterreich, des Landwirts Leopold Haindl und der Umweltorganisation Virus einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts „wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben“.

„Das ist ein Etappensieg“, sagt Haindls Anwältin Fiona List zum KURIER. Und Virus-Sprecher Wolfgang Rehm ergänzt: „Der Ball liegt nun wieder beim Bundesverwaltungsgericht.“

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Alternativenprüfung

Im September 2021 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP) zur S8 „aufgrund von Mängeln im Behördenverfahren und der Missachtung naturschutz- und artenschutzgesetzlicher Bestimmungen“ aufgehoben wird. Zugleich wurde das Verfahren an das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) zurückverwiesen, das als Behörde erster Instanz in weiterer Folge einen neuen UVP-Bescheid erlassen sollte.

Begründet wurde das damit, dass eine sogenannte Alternativenprüfung der geplanten Straßentrasse durchzuführen ist, weil die künftige Schnellstraße S8 das Brutgebiet des vom Aussterben bedrohten Vogels Triel massiv beeinträchtigen würde.

„Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Ansicht vertreten, dass diese Alternativenprüfung ein viel zu großer Aufwand für das Gericht ist und diese vom Verkehrsministerium durchzuführen ist“, sagt Anwältin Fiona List. „Der Verwaltungsgerichtshof hat nun aber entschieden, dass das Bundesverwaltungsgericht sehr wohl eine Alternativenprüfung durchführen und in der Sache selbst entscheiden muss.“

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Naturschutzgutachter

Laut Höchstgericht liege das auf der Hand. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat bereits umfassende Ermittlungsschritte gesetzt. So wurden ein 16 Monate dauerndes ergänzendes Ermittlungsverfahren, zwei Lokalaugenscheine und mehrere mündliche Verhandlungen durchgeführt sowie verschiedene Sachverständigengutachten eingeholt. "Bei Erlass des Beschlusses im September 2021 hatte das BVwG nämlich von jenem Sachverhalt auszugehen, der zu diesem Zeitpunkt vorlag, also dem ergänzten Sachverhalt", heißt es auf Seite 10 der VwGH-Entscheidung.

Sollte dieses Ermittlungsverfahren tatsächlich mit Mängeln behaftet gewesen sein, wie vorgebracht, geht das Höchstgericht davon aus, dass diese zumindest teilweise beseitigt und allenfalls offene Fragen etwa vom Naturschutz-Sachverständigen geklärt werden können. Der Naturschutzgutachter hatte zuvor festgestellt, dass der Eingriff in das örtliche Vogelschutzgebiet so erheblich ist, dass die geplante Trasse nicht genehmigungsfähig ist.

Umweltschützer Rehm geht aber davon aus, dass eine andere als die geplante Straßenvariante möglich ist, um eine Verbindung vom Knoten Raasdorf bis zur Staatsgrenze bei Marchegg zu errichten.

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Auszug aus dem VwGH-Urteil Ra 2021/06/0209:

Darüber hinaus führte das BVwG - wie in Rn. 4 dargestellt - über 16 Monate hindurch ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch. Im Rahmen dessen wurden zahlreiche Sachverständige mit der Ausarbeitung ergänzender Gutachten beauftragt (unter anderem wurde Mag. Dr. B. zum Sachverständigen für den Fachbereich Ornithologie und Naturschutz bestellt), es wurden zwei Lokalaugenscheine zu naturschutzfachlichen Fragen durchgeführt, am 19. und 20. Februar 2020 fand eine mündliche Verhandlung zu den Fachbereichen Schall und Naturschutz und am 13. Oktober 2020 eine weitere mündliche Verhandlung ausschließlich zur Frage der naturschutzfachlichen Alternativenprüfung statt, zwischen Juni und September 2020 wurden von der Fünftrevisionswerberin jeweils ergänzende Unterlagen zu den Auswirkungen des geänderten Europaschutzgebietes und eine ergänzende Raumwiderstandsanalyse vorgelegt, die wiederum vom Sachverständigen fachlich beurteilt wurden. Zu den ergänzten Ermittlungsergebnissen wurde jeweils Parteiengehör gewährt.

(...)

Angesichts dieser ergänzenden Ermittlungen durch das BVwG kann dahinstehen, ob die im angefochtenen Beschluss angeführte Mangelhaftigkeit des behördlichen Verfahrens jemals eine Zurückverweisung gerechtfertigt hätte. Bei Erlassung des Beschlusses im September 2021 hatte das BVwG nämlich von jenem Sachverhalt auszugehen, der zu diesem Zeitpunkt vorlag, also dem ergänzten Sachverhalt.

(...)

Der angefochtene Beschluss geht mit keinem Wort darauf ein, ob durch die durchgeführten ergänzenden Ermittlungen die in Rn. 11 dargestellten Mängel des von der Behörde festgestellten Sachverhalts nicht (zumindest teilweise) beseitigt werden konnten und warum allenfalls noch offene Fragen nicht durch eine ergänzende Beauftragung - etwa des Sachverständigen Mag. Dr. B. - geklärt werden könnten. Sind nämlich - wie im Revisionsfall - (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist.

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