Ischgl: Lücke bei Corona-Contacttracing
Von Christian Willim
Wie genau oder eben auch nicht es das Land Tirol bei der Suche nach möglichen Corona-Fällen in Ischgl genommen hat, bleibt fast drei Monate nach einer Warnmeldung aus Island immer noch im Dunkeln.
Fest steht aber: Auch wenn die bereits abgereisten Infizierten damals selbst nicht mehr befragt werden konnten, die Suche nach Kontakten hätte im Skiort trotzdem erfolgen müssen. Das bestätigt das Gesundheitsministerium gegenüber dem KURIER.
Das Land Tirol bleibt auf Anfrage, ob etwa Gäste oder Mitarbeiter in jenen Hotels, in denen die Isländer nächtigten, zu möglichen Kontakten von Polizei oder Behörden befragt wurden, eine klare Antwort schuldig.
Es heißt nur, dass „in Ischgl eine Kontaktpersonenausforschung und -kategorisierung nicht abschließend möglich“ gewesen sei, weil die Informationen zu den Isländern unzureichend gewesen seien – etwa was deren Kontakte in Ischgl betrifft.
Das Land Tirol verweist darauf, dass bereits Erhebungen angestellt wurden, noch bevor die Namen der Isländer und ihrer Hotels bekannt waren. Eine Antwort auf die Frage, ob Gäste und Mitarbeiter in den Hotels der Isländer befragt wurden, bleibt man aber schuldig.
Zweierlei Maß?
Der Kontrast zum Vorgehen bei Österreichs erstem Corona-Fall in Innsbruck wird dadurch größer – auch wenn die Ausgangslage eine andere als in Ischgl war.
Am 25. Februar sperrte die Polizei vorübergehend ein Hotel, um Kontakte zu einer 24-jährigen Rezeptionistin zu erheben, die das Virus aus ihrer Heimat Italien mitgebracht hatte und infiziert im Hotel arbeitete.
Neun Kollegen der jungen Frau kamen damals – so wie fast zwei Wochen später auch die Servicecrew im Ischgler Kitzloch – als enge Kontaktpersonen in Quarantäne. Mit dem Durchtesten von 62 Gästen und Mitarbeitern des Hotels wurden die behördlichen Vorgaben sogar übererfüllt.
Das Vorgehen ist aber dennoch der Maßstab, der angelegt wird, wenn es um das Aufspüren von möglichen Infizierten in Ischgl geht. So etwa, nachdem Island am 5. März nach Österreich meldete, dass 14 Ischgl-Heimkehrer positiv auf Covid-19 getestet worden sind.
Der Vorwurf an das Land Tirol lautet, dass es zu lax reagiert hat. Laut Profil wurde sogar ein Erlass des Gesundheitsministeriums missachtet, wonach Kontakte der Isländer unter Quarantäne gestellt werden hätten müssen.
Das Land Tirol hält entgegen, dass sich die geschilderte Vorgangsweise bei Kontaktpersonen am 5. März geändert habe. Die Vorgaben seien vom Gesundheitsministerium so ergänzt worden, dass ein Kontakt „15 Minuten oder länger in einer Entfernung von weniger als 2 Metern“ andauern muss.
Ein Kriterium reicht
Für die Kategorisierung als Hochrisiko-Kontakt gibt es jedoch noch weitere Kriterien. Und wie das Gesundheitsministerium auf KURIER-Anfrage bestätigt, muss nur eines erfüllt sein, „um als Kategorie I Kontakt zu gelten“.
Das kann auch ein direkter physischer Kontakt sein, wie er beim Händeschütteln passiert. Oder der gemeinsame Aufenthalt mit einem Covid-19-Fall in einem geschlossenen Raum, der 15 Minuten oder länger dauert und sich in einer Entfernung von weniger als zwei Metern abspielt.
Auftrag zur Suche
Beim Contacttracing ist in der Regel die Befragung des Erkrankten der Ausgangspunkt der Spurensuche. Anders als beim Hotel Europa war das bei den abgereisten Isländern nicht mehr möglich. Vom Auftrag zur Suche nach Kontakten der Erkrankten entbindet das aber nicht.
Das Ministerium konstatiert zwar, dass sich die Lage für die Behörde schwierig darstelle, „wenn der Fall selbst nicht befragt werden kann, da nicht mehr vor Ort“.
Es stellt auf Nachfrage aber klar: „Das Contacttracing ist natürlich in jedem Fall durchzuführen.“ Dafür würden die Kontakt-Daten durch die Meldesysteme ja unter den Ländern ausgetauscht.
Dennoch heißt es abschließend: "Aus unserer Sicht gibt es derzeit keinen Grund zur Annahme, dass die Tiroler Behörden wider den Vorgaben des Bundes gehandelt hätten."
Das war allerdings noch bevor ein offener Konflikt zwischen Bund und Land Tirol um Ischgl-Warnmeldungen zwischen Bund und Land ausgebrochen ist.