Chronik/Österreich

Brandstetter: "Mit Prävention erspart man sich viel“

Nach der Vergewaltigung eines 14-jährigen U-Häftlings legte die Taskforce Jugendstrafvollzug einen Maßnahmenkatalog vor. Seit einer Woche stellt der KURIER die Schwerpunkte vor: Betreute Wohngruppen, mehr Sozialpädagogen, Mindeststandards in der Haft. Zum Abschluss erklärt Justizminister Wolfgang Brandstetter, was er umsetzen möchte.

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KURIER: Sie haben einen Sonderbeauftragten für den Strafvollzug installiert, der von der Personalvertretung der Justizwache kommt. Die ist dafür bekannt, Reformen eher abzuwiegeln. Erwarten Sie von dort neue Impulse?

Wolfgang Brandstetter: In meinem Kabinett will ich vor allem Mitarbeiter beschäftigen, die sich mit den Themen beschäftigen, die mir besonders am Herzen liegen und uns auch oft Schwierigkeiten machen. Da gehört der Strafvollzug dazu. Deshalb konnte ich jemanden gewinnen, der dort lange Zeit tätig war und positiv aufgefallen ist. Er soll die Maßnahmen umsetzen, im regen Austausch mit den im Strafvollzug Tätigen, und mir direkt berichten.

In dem seit vielen Wochen vorliegenden Bericht der Taskforce zum Jugendvollzug empfehlen Experten ganz dringend eine Fülle von Maßnahmen. Wann werden Sie grünes Licht für die Umsetzung geben?

Ein Teil ist schon umgesetzt. Wir haben eine Kooperation mit der Med-Uni über die Betreuung der Insassen in der Justizanstalt Josefstadt, eine verstärkte Kooperation mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft, wir konnten die Ausbildungs- und Beschäftigungssituation für die Jugendlichen in der Haft verbessern. Wir haben den österreichweiten Ausbau des Projekts Jugendcoaching umgesetzt. Und wir stellen einen Sozialpädagogen für die Justizanstalt Josefstadt, zunächst für 20 Wochenstunden, an. Dann gibt es noch die Einzelfallbesprechung unter Federführung der Jugendgerichtshilfe. Wir arbeiten daran, es innerhalb der ersten Haftfrist, zwei Wochen, in Kooperation mit Präventionseinrichtungen, vor allem Neustart, zu erreichen, dass für die inhaftierten Jugendlichen eine Möglichkeit von betreutem Wohnen geschaffen wird. Damit man bei der ersten Haftprüfung mehr Möglichkeiten hat, dass man sie entlassen kann.

Die Maßnahmen kosten viel Geld, wie geht das mit den Sparplänen zusammen, die jedem Ressort auferlegt sind?

Wir müssen im Ressort 41,6 Millionen einsparen. Mit vielen Verrenkungen konnte ich für heuer verhindern, dass wir in diesem wichtigen Bereich Prävention und der Tätigkeit von Neustart und anderen Einrichtungen Kürzungen vornehmen müssen. Wie es nächstes Jahr ausschaut, weiß ich noch nicht. In anderen Segmenten muss natürlich schon eingespart werden. Ich kann bei Präventionsmaßnahmen nicht zahlenmäßig beweisen, wie viel Geld uns das erspart, wenn jemand nicht auf die schiefe Bahn kommt, nicht weiter Schäden und Leid verursacht. Aber alle Experten sind sich einig, und ich war auch immer dieser Meinung, dass eine Investition in Präventivmaßnahmen eine gute ist und man sich auch ökonomisch dadurch viel erspart. Deshalb bin ich auch sehr erfreut über die KURIER-Serie, weil sie in dem Bereich sensibilisiert.

Müssen die betreuten Wohngruppen für Jugendliche als Alternative zur U-Haft abgeschlossen bzw. bewacht werden?

Ich bin da einer Meinung mit dem Jugendrichter Gerstberger, den Sie in Ihrer Serie interviewt haben. Es wird in Einzelfällen Sinn machen und ist immer noch besser als U-Haft.

Oft werden Jugendliche schon vor der Strafmündigkeit auffällig. Sehen Sie hier die Justiz gefordert, oder wer sollte da in welcher Form tätig werden?

Eine hervorragende Frage. Ich habe das mit meinen Mitarbeitern schon diskutiert. Die Jugendgerichtshilfe, die wir jetzt einmal nur in Wien haben, überschneidet sich mit Kompetenzen des Landes, nämlich der Jugendwohlfahrt. Meine Überlegung wäre, mit Unterstützung der Länder Einrichtungen zu schaffen, die nicht unbedingt bei den Gerichten installiert sein müssen. Das kann auch bei der Bezirkshauptmannschaft sein. Weil die hier tätigen Fachleute sind von derselben Profession. Hier sollten wir Synergien schöpfen und Bund und Länder kooperieren lassen. Im Taskforce-Bericht ist ausdrücklich das Beispiel der Kooperation mit Vorarlberg erwähnt. Dort gibt es eine Art Jugendgerichtshilfe, die vom Land unterstützt wird. Das ist für mich ein Vorbild. Wenn ich an einem Gericht eine Jugendgerichtshilfe installiere, und das ist ein Ort mit einer Jugendwohlfahrtseinrichtung, dann macht es Sinn, das zusammenzulegen. Das macht es dann für mich auch leichter, die Jugendgerichtshilfe österreichweit auszubauen.

Die Innenministerin hat im KURIER-Interview angekündigt, dass die Asylverfahren um drei Monate schneller abgewickelt werden sollen. Kann man bei einem rechtsstaatlich geführten Verfahren einen Zeitplan vorschreiben?

Das ist nicht meine Kompetenz und nicht mein Ressort. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich nicht genau weiß, wie lang Asylverfahren durchschnittlich dauern und aus welchen Gründen sie eine bestimmte Dauer erfordern.

An das Ende des Interviews wollte Minister Brandstetter gerne ein Zitat stellen: „Richtig verstandene Jugendgerichtsbarkeit besteht in der Verquickung von Jugendstrafrecht, Jugendwohlfahrtsrecht, Pflegschaftsrecht und in der Verpflichtung des Jugendgerichts, eine dem konkreten Fall adäquate Lösung zu finden, die die strafrechtlichen Bedürfnisse abdeckt, vor allem aber zumindest den Versuch unternimmt, allfällige negative Weichenstellungen in der künftigen Entwicklung des Jugendlichen zu verhindern und ihm bei der sozialen Anpassung zu helfen.“ Das Zitat stammt von Udo Jesionek (Präsident der Opferhilfe Weisser Ring und ehemaliger Präsident des Jugendgerichtshofes, Anm.) und ist – wie der Justizminister betonte – „auch mein Credo“.

Bisher erschienen:

Die Jugendhaft auf dem Prüfstand

Jugendhaft neu: Viel Kosmetik

Interview: „Weniger Haft ist uns ein Anliegen“

Abschreckungsmodell: Probesitzen im Gefängnis

Justizmodelle: In 15 Schulen sind Sozialarbeiter als Konfliktlöser unterwegs

Wohngruppen für junge Täter: Betreuung statt Bewachung