Chronik/Österreich

Urteil gegen Republik: Das adelige "von" im Namen gehört zur Identität

„Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, ... des Standes, ... sind ausgeschlossen.“

Seit April 1919 ist das Führen von Adelstiteln in Österreich verboten. Zuwiderhandlungen werden von den politischen Behörden „mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Kronen oder mit Arrest bis zu sechs Monaten bestraft“, heißt es im Gesetzestext von damals, der noch bis heute seine Gültigkeit hat.

Doch mehr als 100 Jahre später könnte sich das Blatt zugunsten des Adels wenden, die Presse berichtete zuerst. Die Familie Künsberg Sarre hatte sich in der Sache bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt – und bekam dort nun Recht. Das Recht auf Privat- und Familienleben wurde verletzt. Am Dienstag wurde das Urteil veröffentlicht.

Enkel des Kaisers

Das Thema kocht seit einigen Jahren in Österreich wieder hoch. Sogar Karl Habsburg, Enkel des letzten Kaisers, hatte vor Gericht um sein „von“ gekämpft – und verloren. Doch das aktuelle Urteil gibt den Unterstützern Hoffnung. „Wir wollen jetzt noch nicht zu überschwänglich sein, aber das ist ein Erfolg“, sagt Niklaus von Steiger. Der Tierarzt aus Dornbirn kämpft seit Jahren für die Aufhebung des Gesetzes.

Im aktuellen Fall hatten sich vier Personen aus der Familie Künsberg Sarre den juristischen Kampf geliefert. Im September 2018 bekam die Familie einen Bescheid des Magistrats der Stadt Graz über die Änderung ihres Familiennamens. Das „von“ müsse weg.

Frei erfunden

Die Familie argumentierte, dass man mit dem Adel gar nichts am Hut habe. Der Name stamme von einem Vorfahren, der das „von“ einfach dazu erfunden habe. Der Name sei dann einfach an die nächste Generation weitergegeben worden.

Bei den österreichischen Gerichten bissen sie mit dieser Argumentation auf Granit. Schließlich erweckten die drei Buchstaben den Anschein einer Adelsfamilie. „Zieht man das weiter, müssten ja auch Nachnamen wie Kaiser, Herzog oder Graf berichtigt werden“, sagt Anwalt Wolfram Proksch, der die Familie vertritt.

Doch viele Jahrzehnte war das „von“ in Österreich ohnehin kein Problem. Außerdem sollten nicht alle Familienmitglieder das „von“ verlieren. Problematisch gestaltete sich auch, dass Familienmitglieder, die in anderen Ländern lebten, sehr wohl die drei Buchstaben im Namen behalten durften – und das wiederum greift in das Recht auf Privat- und Familienleben ein, meint der EGMR.

Österreich kann das Urteil anfechten.