Abtreibungen: Tirol kommt in der Versorgung nicht vom Fleck
Von Christian Willim
Zehn Jahre sind bereits ins Land gezogen, seit 2014 die damalige grüne Soziallandesrätin Christine Baur die Lage "noch prekärer" genannt hatte, nachdem zwei von drei privaten Arztpraxen in Tirol ihr Angebot von Abbrüchen ungewollter Schwangerschaften eingestellt hatten. An der Versorgungslage hat sich bis heute nichts geändert.
Dabei hatten ÖVP und die SPÖ als Nachfolger der Grünen in der Landesregierung mit den Schwarzen 2022 nach den Landtagswahlen vereinbart, „einen bedarfsgerechten, niederschwelligen, medizinisch qualitätsvollen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen“ sicherzustellen.
"Flächendeckend an allen Krankenhäusern"
Über das Wie folgte ein Hickhack zwischen den frisch gebackenen Koalitionspartnern, nachdem SPÖ-Frauenlandesrätin Eva Pawlata kurz nach Amtsantritt gefordert hatte, das Abtreibungen „flächendeckend an allen öffentlichen Krankenhäusern“ und kostenlos angeboten werden sollen.
Man konnte sich letztlich darauf verständigen, dass zwei weitere Ärztinnen Schwangerschaftsabbrüche durchführen sollten - aber im niedergelassenen Bereich. Zuletzt war mein bei der Suche nach Räumlichkeiten aber zumindest am Areal der Klinik Innsbruck gelandet.
Doch nun ist auch diese Lösung geplatzt. "Leider haben die beiden Ärztinnen letztlich die Entscheidung getroffen, zukünftig keine Schwangerschaftsabbrüche anbieten zu wollen", heißt es in einer Beantwortung einer grünen Landtagsanfrage von ÖVP-Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele, von der zuerst die Krone berichtete.
Geduldsfaden bei SPÖ reißt
Bei der SPÖ, die den geplanten Ausbau der Versorgung als wichtigen frauenpolitischen Erfolg für sich in Anspruch genommen hat, reißt offenbar langsam der Geduldsfaden.
„In Tirol ist die Situation bei Schwangerschaftsabbrüchen immer noch prekär. Nur ein Arzt bietet Abbrüche in seiner privaten Praxis an und er wird bald in Pension gehen", ärgert sich die SPÖ-Landesfrauenvorsitzende Selma Yildirim.
Die Tiroler Nationalrätin erneuert die Forderung, mit der man bei der Landes-ÖVP bereits abgeblitzt ist: "Wir wollen ein kostenloses Angebot an öffentlichen Krankenhäusern." Bei der ÖVP ortet sie eine "Blockadehaltung" und vermutet, "dass man den beiden Ärztinnen bewusst Hürden in den Weg gelegt hat."
Im Büro von Gesundheitslandesrätin Hagele weist man diesen Vorwurf brüsk zurück: "Die ÖVP hat niemandem irgendwelche Steine in den Weg gelegt." Vielmehr habe man die Ärztinnen bei der Suche nach Räumlichkeiten und einem Anästhesisten unterstützt, nach dem ein bereits gefundener abgsprungen sei.
"Unbefriedigend für alle"
"Die Situation ist unbefriedigend für alle", so eine Sprecherin von Hagele, die aber darauf hinweist, dass man keinen Arzt zu derartigen Eingriffen zwingen könne. Es gäbe aber bereits schon wieder Mediziner, die Interesse bekundet hätten. Im September und Oktober sollen Gespräche geführt werden.
Klargestellt wird aber auch, dass die ÖVP eine Lösung im "extramuralen Bereich präferiert". Also außerhalb der Klinikmauern in einer privaten Ambulanz.
Yildirim hat jedoch den Eindruck, dass die ÖVP-Gesundheitslandesrätin "nicht besonders ambitioniert ist, etwas zu machen. Sie muss das klar und entschieden vorantreiben".
Schwenk im Nachbarland
Vorarlberg hat eine ähnliche Debatte hinter sich. Auch hier drohte wegen der Pensionierung eines einzigen Gynäkologen, der im Bundesland in seiner Ordination Abtreibungen durchführte, die Versorgung für ungewollt Schwangere komplett zusammenzubrechen.
Auch hier sperrte sich die ÖVP gegen ein Angebot im Spitalsbereich. Im Herbst des Vorjahres dann die Kehrtwende. Seither können Schwangerschaftsabbrüche im Landeskrankenhaus Bregenz durchgeführt werden.
Den Schlussstrich unter die Diskussion hatte letztlich ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner höchstpersönlich gezogen. "Alle Bemühungen der letzten Monate, eine niedergelassene Praxis zu finden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt, haben nicht funktioniert", erklärte er im Oktober 2023.
Kein Freund der Lösung, aber ...
Er persönlich habe sich zwar dagegen ausgesprochen, die Schwangerschaftsabbrüche in Krankenhäusern durchzuführen. Dass es keine Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch in Vorarlberg mehr gibt, könne man aber "nicht zulassen".
In Tirol bleibt die Versorgungslage einstweilen genauso prekär wie vor 10 Jahren.