Sozialer Druck und Mundart: Worüber die Jugend spricht
Von Caroline Ferstl
Florence Bauernfeind und Amelie Eder erscheinen zum Interview mit dem KURIER im Partnerlook. Beide tragen grün, Florence eine gemusterte Hose und ein grünes Top, Amelie einen grünen Blazer. „So sieht man gleich, dass wir zusammen gehören“, meint Florence. „Außerdem stimme ich mein Outfit jeden Tag mit meiner Schwester und mit meiner Mama ab, und Amelie gehört ja irgendwie auch schon zur Familie“, erklärt die 15-Jährige.
Das abgestimmt Outfit scheint Glück zu bringen: Auch beim Bundesjugendredewettbewerb haben sich die Schülerinnen des BG Zehnergasse ähnlich angezogen. Doch sicher nicht deshalb den ersten Platz in der Kategorie „Neues Sprachrohr“ geholt: Den Sieg haben sie vielmehr ihrer emotionalen Rede zu verdanken.
Persönliche Botschaft
51 Jugendliche aus Österreich und Südtirol traten beim Bundesredewettbewerb in verschiedenen Kategorien und Schulformen gegeneinander an.
In der Kategorie „Neues Sprachrohr“ konnten die Teilnehmerinnen frei über ihre Beitragsgestaltung entscheiden; Florence und Amelie entschieden sich dabei für einen Poetry Slam mit dem Titel „Wer hat gesagt?“.
In ihrem Beitrag sprechen sie über unrealistische Schönheitsideale, die in den sozialen Medien vermittelt werden, und unter denen vor allem junge Frauen leiden.
Die Botschaft liegt der 14-jährigen Amelie am Herzen: „Auch ich habe mich lange mit den Idealen verglichen, die in den sozialen Medien kommuniziert werden, und keine gute Beziehung zum Essen gehabt. Wir wollen klarstellen, dass jeder schön ist, wie er ist.“
Die beiden Mädchen sind nicht die einzigen Gewinner, die Wiener Neustadt beim Bundesjugendredewettbewerb erfolgreich vertreten haben: Janik Nicolini vom BRG Gröhrmühlgasse gewann mit seiner Rede „Die Sprache meines Herzens“ den ersten Platz in der Kategorie „Klassische Rede – Höhere Schule“.
„Hätte ich gewusst, dass Partnerlook angesagt ist, hätte ich mich angepasst“, meint er beim Treffen mit dem KURIER mit Blick auf sein Outfit. Zumindest das Logo seines T-Shirts ist teilweise grün.
Sprache des Herzens
Janik ist ein „alter Hase“ beim Bewerb: Der 17-Jährige war 2018 schon Bundessieger, saß 2019 in der Jury und gewann jetzt mit einer Rede über österreichische Dialekte wieder: „Dialekte sind kulturell extrem bereichernd. Ich seh den Dialekt und die Standardsprache als zwei verschiedene Möglichkeiten, meine Zunge zu bewegen. Wir sollten uns bemühen, dass diese kulturellen Güter nicht verloren gehen – vor allem wir Jungen.“
Dass Deutsch eigentlich gar nicht sein Lieblingsfach ist, tat seiner Motivation keinen Abbruch. „Mir ist diese Botschaft einfach ein wichtiges Anliegen“, erklärt der Schüler.
Auch die Schülerinnen lernen lieber Geschichte, Latein und Englisch. Eines haben jedoch alle gemein: Sie gehen gerne in die Schule.
Lockdown-Frust
Nach Monaten des Distance-Learning genießen sie die letzten Schultage vor den Ferien: „Ich verstehe nicht, warum wir nicht früher in die Schule zurückgeholt wurden. Mir ist es nicht gut gegangen im Lockdown, ich habe die Menschen um mich vermisst. Ich war oft grundlos traurig und bin nicht aus dem Bett gekommen“, erzählt Florence.
Amelie ergänzt: „Ich bin ein sehr fröhlicher Mensch, aber im Winter war mir oft ohne Grund zum Weinen zumute. Online-Treffen können das Zwischenmenschliche einfach nicht ersetzen.“
Wieder die Kritik an den sozialen Medien: „Eigentlich gehören die abgeschafft. Wir müssten sie boykottieren“, ruft Janik auf. Noch ist der Gruppenzwang aber zu groß.
Und was ist den Jugendlichen sonst wichtig? „Natürlich das Klima“, meint Amelie, die selbst immer wieder auf „Fridays for Future“-Demos anzutreffen ist. Aber auch Gleichberechtigung und der Kampf gegen Diskriminierung, erklärt Florence: „Ich bin halt nicht weiß. Das ist immer noch ein Thema bei uns, auch wenn das manche nicht glauben.“ Sie und Amelie demonstrierten vergangenen Samstag auf der Regenbogenparade in Wien.
Janik meidet Demos, „ich mag die Menschenmassen nicht.“ Doch für ein Thema würde selbst er auf die Straße gehen: „Wenn wir nochmals ins Distance-Learning geschickt würden. Da würde ich auf die Barrikaden steigen.“
Der Bundesjugendredewettbewerb fand heuer zum insgesamt 68. Mal und zum ersten Mal online statt, die Teilnehmer mussten ihre Rede auf Video aufnehmen und einschicken. Teilnehmen können Jugendliche zwischen 14 bis 21 Jahren. Das Thema ist frei wählbar, es stehen die Kategorien „Klassische Rede“, „Spontanrede“ und „Neues Sprachrohr“ zur Auswahl.
Auf die Gewinner wartet ein kleiner Geldbetrag. Veranstalter sind unter anderem das Bundeskanzleramt und das Bildungsministerium