Chronik/Niederösterreich

Schlepperorganisation zerschlagen: 92 Festnahmen in Österreich

Die Polizei hat eine internationale Schlepperorganisation zerschlagen, die in großem Ausmaß Migrantinnen und Migranten von Ungarn nach Österreich gebracht hat. Insgesamt 205 Menschen wurden in Österreich, der Slowakei, Tschechien und Rumänien festgenommen. Die Bande soll mehr als 36.100 Menschen geschleppt haben. Auf das Konto der Organisation gehen auch Schüsse auf Grundwehrdiener im Burgenland im Jänner sowie zwei erstickte Flüchtlinge in einem Klein-Lkw im Oktober.

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Die Ermittlungen begannen 2021, insgesamt 80 Schlepperfahrzeuge wurden sichergestellt. Die Menschenschmuggler sollen einen Umsatz von etwa 152 Millionen Euro gemacht haben, heißt es bei einer Pressekonferenz am Donnerstag im Innenministerium in Wien. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gab die Details gemeinsam mit Franz Popp, Landespolizeidirektor Niederösterreichs, und Gerhard Braunschmidt, Leiter des Landeskriminalamts Burgenland, bekannt.

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"Es ist einer der größten Erfolge im Kampf gegen die Schleppermafia der letzten Jahre", sagte Karner. "Bei diesen Banden ist ein Menschenleben nichts wert, da geht es um Profit, Geldgier, um brutale Mafiamethoden", sagte der Innenminister.

Seit 2021 wurden vom Landeskriminalamt Burgenland vermehrt Schleppungen von Migranten über Grenzübergänge im Burgenland und über die grüne Grenze beobachtet, die vornehmlich mit Kleintransportern durchgeführt wurden. Diese Schleppungen, bei denen im Schnitt 30 Migranten transportiert wurden, führten allesamt in den Raum südlich von Wien. Die Erhebungen der Kriminalisten aus dem Burgenland ergaben, dass diese Fahrten einer einzigen kriminellen Schlepperorganisation zuzuordnen waren.

Internationale Zusammenarbeit

In Zusammenarbeit mit den rumänischen Polizeibehörden und dem rumänischen Verbindungsbeamten wurde festgestellt, dass es sich bei dem Haupttäter und Chef der Organisation um den in Österreich bereits einschlägig bekannten 28-jährigen rumänischen Staatsbürger Nicu Gavril O. handelt.

Der Kopf der Bande saß eigentlich in St. Pölten bereits in Haft, ihm gelang allerdings im November 2020 nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung spektakulär die Flucht.

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Während einer bevorstehenden Untersuchung im Landesklinikum St. Pölten, wo er von Justizbeamten bewacht, und einer ärztlichen Untersuchung zugeführt werden sollte, flüchtete er mit einem zur Flucht bereitgestandenen Fahrzeug. Zu diesem Zeitpunkt galt Nicu Gavril O. bereits verdächtig, der Leiter einer Schlepperorganisation zu sein.

Letztendlich konnte Nicu Gavril O. in Lettland ausgeforscht, festgenommen und ausgeliefert werden. Er sei bereits nach Österreich überstellt worden und warte auf seine Verhandlung, heißt es in der Pressekonferenz.

Die weiteren Ermittlungen führten die Kriminalisten zu einem weiteren hochrangigen Mitglied der Organisation mit Wohnsitz in Wien, der Mann wurde unter Observation gestellt. Dabei stießen die Ermittler auch auf eine Auto-Werkstätte in Biedermannsdorf, die für den Umbau der Schlepperfahrzeuge verantwortlich war. Am 25. Jänner wurde der Mann von Zielfahndern in Wien festgenommen. Außerdem konnte eine Unterkunft für Lenker von Schlepperfahrzeugen in Wien-Penzing identifiziert und im Zuge einer Hausdurchsuchung zehn Lenker von Schlepperfahrzeugen festgenommen werden. 17 Schlepperfahrzeuge wurden sichergestellt.

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Nach Festnahmen von Schlepperfahrzeug-Lenkern im Norden Niederösterreichs stellten die Ermittler des Landeskriminalamtes Niederösterreich fest, dass die Umstände der Schleppungen deckungsgleich mit den Ermittlungen im Burgenland waren. Die Modalität mit den Mobiltelefonen, die Namen der gespeicherten Personen in den Telefonen und die Art, wie die Schleppungen mittels Wegpunkten geleitet waren, glichen sich.

Somit konnte festgestellt werden, dass die Organisation von Nicu Gavril O. die Route geändert hatte. Diese führte nun von Ungarn über die Slowakei und Tschechien nach Niederösterreich. Allerdings wurden keine Kleintransporter mehr verwendet, sondern Kombis und Vans, die durch den Einbau von Luftfedern und Folierung bzw. Schwärzung der Scheiben für die Schleppungen umgebaut wurden. In Kombis wurden mindestens zehn Personen transportiert, in Vans bis zu 17 Personen.

Eigene Ankäufer für Autos

Die Organisation kaufte aber nicht nur Mobiltelefone zentral ein, sondern hatte auch eigene Ankäufer für Autos: Die Fahrzeuge wurden in Österreich und in Ungarn angekauft, wobei die ungarischen Fahrzeuge samt Kennzeichen gekauft wurden. Die in Österreich gekauften Fahrzeuge wurden hingegen in Ungarn mittels Kurzzulassungen angemeldet.

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Insgesamt führte die Polizei 205 Festnahmen durch. 92 davon in Niederösterreich und dem Burgenland. Über 80 Schlepperfahrzeuge konnten sichergestellt werden.

Außerdem wurden insgesamt 36.100 geschleppte Personen aufgefasst. Darunter auch Kinder und Kleinkinder im Alter von zirka zwei Jahren. Die meisten Migranten hatten als Zielland Deutschland, Benelux und Frankreich. Diese wurden von den Absetzungsörtlichkeiten abgeholt, in Wien untergebracht und danach durch andere Organisationen weitergeschleppt.