Ostumfahrung: Böser Brief an Kardinal Schönborn
Von Patrick Wammerl
Gebete werden wohl nicht mehr reichen, um diesen Konflikt zu lösen. Der Streit um den Bau der Ostumfahrung in Wiener Neustadt zieht sich bis in höchste Kirchenkreise. Nachdem sich der Wiener Weihbischof Franz Scharl in einem öffentlichen Video massiv gegen das 32 Millionen Euro teure Straßenprojekt ausgesprochen hat, bringt nun der niederösterreichische ÖVP-Klubobmann und Bürgermeister Klaus Schneeberger seine Verwunderung darüber in einem Schreiben an Kardinal Christoph Schönborn zum Ausdruck.
In den Zeilen, die ein irritierter Schneeberger an den Erzbischof richtete, zeigt sich der Politiker verwundert darüber, dass sich ein derart hoher kirchlicher Würdenträger so negativ über ein Projekt äußert. „Und das, ohne mit den Verantwortlichen darüber zuvor auch nur ein einziges Wort gewechselt zu haben“, so Schneeberger. Es bleibt abzuwarten, wie der Erzbischof auf den Auftritt eines seiner Schäfchen reagiert.
Wie berichtet, hat die Bürgerinitiative „Vernunft statt Ostumfahrung“ eine Online-Petition gegen den Bau der 4,8 Kilometer langen Trasse initiiert und teils prominente Gesichter als Werbeträger gewonnen. Einer davon ist Franz Scharl, der vor 20 Jahren Kurat in Wiener Neustadt war. In einer Videobotschaft findet der Geistliche klare Worte gegen das „Zubetonieren wertvoller Böden.“
Die Reaktion aus der Stadt ließ nicht lange auf sich warten. ÖVP-Vizebürgermeister und Nationalrat Christian Stocker fand es „bemerkenswert“, dass sich jemand „vom Stephansplatz in Wien aus in verkehrspolitische Themen der Stadt einmische“, die Erzdiözese Wien aber gleichzeitig all ihre Pfarrkindergärten in Niederösterreich aus Kostengründen schließt. Auch zwei Kindergärten mit 40 Plätzen in Wiener Neustadt sind davon betroffen.
Nun springen sogar die „Katholische Aktion der Erzdiözese Wien“ und die ARGE Schöpfungsverantwortung für Scharl in die Bresche. In einem offenen Brief an Stocker setzte es, für den sonstigen Umgangston einer Kirchenorganisation, doch recht markige Worte. Man empfinde es als „ungeheuerliche Entgleisung“, Weihbischof Scharl über die Medien so etwas auszurichten.
Auch andere hohe Kirchenvertreter wie Kardinal Schönborn oder Bischof Alois Schwarz würden sich öffentlich gegen die Zerstörung fruchtbarer Böden aussprechen. Österreich sei negativer Rekordhalter in Europa bei der Bodenversiegelung und Verbauung. Scharl habe die Lage nicht „vom Stehpansplatz aus beurteilt, sondern sich Vorort gut informiert“, heißt es in dem offenen Brief an Stocker.
Kindergärten
Der Politiker reagiert auf die Zeilen verwundert: „Wenn man Kritik übt, sollte man sie auch aushalten. Zur Ostumfahrung kann man verschiedener Meinung sein“, so der Nationalrat. Bemerkenswert findet er es, dass die Katholische Aktion in ihrem kritischen Brief kein einziges Wort über die bevorstehenden Schließungen der Kindergärten verliert. „Ich hätte mir zumindest eine Erklärung für die vielen betroffenen Eltern gewünscht“, sagt Stocker.
Gericht entscheidet über die Ostumfahrung
1.400 Personen haben bereits die Petition „Vernunft statt Ostumfahrung“ unterschrieben. Durch den Einwand anderer Bürgerinitiativen, die gegen den positiven Baubescheid des 32 Millionen Euro teuren Projekts Beschwerde eingebracht haben, liegt der Ball nun beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dort wird ab 3. September darüber verhandelt, ob das Bauvorhaben rechtens ist, oder nicht. Die Gegner werfen der Politik ein falsches Zahlenspiel vor.
Den Anrainern gegenüber werde mit einer Verkehrsentlastung von bis zu 20 Prozent argumentiert. Das jüngste Verkehrsgutachten im Auftrag des BVwG zeige allerdings ein deutlich anderes Bild. Demnach nimmt der Verkehr bis 2030 um fast ein Viertel (24 %) zu. Mit der Ostumfahrung beträgt die Reduktion auf der Nestroystraße 6 und auf der Grazer Straße 8 Prozent. Dazu würden die prognostizierten 14.200 Fahrzeuge pro Tag auf der Ostumfahrung kommen.
Durch die geplante Erweiterung der Gewerbeflächen entlang der Trasse und der Wohnbauprojekte gehen die Gutachter im gesamten Untersuchungsgebiet von zusätzlichen 3.500 Fahrzeugen pro Tag aus, beklagt Projektgegner Hannes Höller.