Lerncafé Korneuburg: Die Freude am Lernen lernen
Von Michaela Höberth
Nachhilfe ist für viele Schüler notwendig – für viele Familien aber schlichtweg nicht leistbar. Vor allem jene, die aus bildungsbenachteiligten Schichten stammen oder einen Migrationshintergrund haben, stoßen dabei an ihre finanziellen Grenzen.
Umso wichtiger ist es, dass es Alternativen zu privaten Angeboten gibt. In Korneuburg ist das gelungen: Dort wurde vor zehn Jahren ein Lerncafé der Caritas eröffnet, damals das erste in Niederösterreich.
Hohe Erfolgsquote
Bei einer Jubiläumsfeier zog man Bilanz: Im Laufe der Jahre wurden um die 80 Kinder kostenlos betreut, zur Unterstützung waren 45 Freiwillige – vom Studenten bis zum Pensionisten – tätig.
„Derzeit begleiten wir 20 Kinder, und das dreimal die Woche“, erzählt Leiterin Angelika Löhr. Und die Erfolgsquote ist hoch: 99 Prozent der betreuten Schüler schließen die Klasse positiv ab, im Vorjahr haben drei Kinder den Wechsel in eine weiterführende Schule geschafft. Zwölf Freiwillige unterstützen die Schüler derzeit beim Lernen.
Die Caritas-Lerncafés wollen nicht nur Lerninhalte, sondern auch die Freude am Lernen vermitteln. 2007 wurde in Graz der erste Standort eröffnet. Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche von sechs bis 15 Jahren. „Ohne Freiwillige gäbe es das Projekt nicht“, machte Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas der Erzdiözese Wien, bei der Feier in Korneuburg klar. 960 Ehrenamtliche sind in den 65 Lerncafés in Österreich tätig, 2.000 Kinder und Jugendliche werden aktuell betreut – und der Bedarf ist enorm.
Große Nachfrage
Das spürt man auch in Korneuburg, wo es eine lange Warteliste gibt. „Nicht der Anmeldezeitpunkt ist entscheidend, sondern wie dringend eine Lernunterstützung benötigt wird“, so Leiterin Löhr. Ein Anruf beim Lerncafé reicht, um ein Erstgespräch zu vereinbaren. Dabei hilft man den Kindern oft nicht nur schulisch auf den richtigen Weg; im Lerncafé haben viele der Kinder Freunde gefunden, und manch Jugendlicher wurde durch die stete Unterstützung davon abgehalten, auf die schiefe Bahn zu geraten. „Es ist eben viel mehr als nur Nachhilfe“, kann die Korneuburger Vizebürgermeisterin Helene Fuchs-Moser aus Erfahrung sagen.
Mehr Individualität
Konkrete Zahlen zur Situation in ganz Österreich legt die Arbeiterkammer vor: Im Schuljahr 2020/2021 nahmen 367.000 Kinder und Jugendliche ein Nachhilfe-Angebot in Anspruch, und es ist davon auszugehen, dass nach wie vor hoher Bedarf nach einer Lernunterstützung besteht. „Wir leisten uns noch immer ein Schulmodell von gestern“, so Elke Larcher von der Abteilung für Lehrausbildung und Bildungspolitik der AK Wien.
Denn viele Schüler würden in den Schulstunden nicht die Lernziele erreichen, und im Rahmen eines halbtägigen Unterrichts bleibe kaum Zeit, um nachzufragen oder zu üben. Der Förderunterricht führe noch immer ein Stiefkinddasein.
Steigender Lerndruck
„Vieles wird hier durch Ehrenamtliche abgefedert. Vor allem finanzschwache Familien, aber auch Alleinerziehende können das Geld für Nachhilfestunden oft nicht aufbringen“, schildert Larcher. Dabei beginnt der Lerndruck schon in der Volksschule; oft geht es nicht um eine positive oder negative Zensur, sondern darum, den Sprung von einem Gut zu einem Sehr gut zu schaffen. „Sonst ist zum Beispiel der Weg ins Gymnasium verwehrt. Hier entsteht innerhalb des Systems jede Menge Druck für die Familien“, weiß Larcher.
Sie ist überzeugt: Schule muss neu gedacht werden, ein kräftiger Finanzschub wäre dafür nötig. Schüler, die kein lernförderndes Umfeld haben, bräuchten individuelle Unterstützung.