Chronik/Niederösterreich

Geisterfahrer-Opfer kämpfen noch immer mit den Folgen des Unfalls

Es war dunkel und es regnete, als eine Pkw-Lenkerin am 4. August 2021 auf der Südautobahn bei Leobersdorf verwundert feststellte, dass die Fahrzeuge um sie herum auffällig langsam und großteils auf der ersten Fahrspur unterwegs waren. Wenige Augenblicke später musste die Frau erkennen, warum. Doch es war zu spät, um dem Geisterfahrer, der direkt auf sie zukam, noch ausweichen zu können.

Die Mutter und ihr Sohn auf dem Beifahrersitz überlebten die Frontalkollision. „Aber die erste Euphorie darüber war bald vorbei. Dann sind wir in ein regelrechtes Loch gefallen, es war eine schwere Zeit“, erinnerte sich die Korneuburgerin am Dienstag am Landesgericht Wiener Neustadt. Zu wochenlangen Schmerzen wegen eines gebrochenen Fußes, eines gebrochenen Brustbeins und mehrerer geprellter Rippen kam Psychotherapie zur Aufarbeitung des Traumas.

Leere Anklagebank

„Ich war dreieinhalb Monate im Krankenstand, habe noch immer Beschwerden“, erzählte die Frau. Ihre nervliche Belastbarkeit sei nach wie vor deutlich geringer als vor dem Unfall. Wieder auf die Autobahn aufzufahren habe sie zunächst große Überwindung gekostet. "Aber ich musste es schaffen, weil ich nur so zur Arbeit komme", schilderte sie. Doch sie fahre nur langsam auf der rechten Spur.

Ihr Sohn habe aufgrund des Vorfalls beschlossen, keinen Führerschein zu machen. "Ich habe jetzt sehr viel mehr Respekt vor dem Straßenverkehr - man könnte es schon eher Angst nennen", bestätigte der junge Mann, der mit einem Nasenbeinbruch und Peitschenschlagsyndrom davon gekommen war.

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Der Unfallverursacher, ein 81-jähriger Pensionist, seit Jahren in psychiatrischer Behandlung, der alkoholisiert in die falsche Richtung auf die A2 aufgefahren war, erschien nicht zum Prozess. Er ließ sich durch seinen Rechtsanwalt entschuldigen. Der Stress einer Gerichtsverhandlung könne zu einer massiven Verschlechterung seines Zustandes führen, bestätigte ihm ein psychiatrisches Gutachten. Verhandelt wurde trotzdem in seiner Abwesenheit. Das Urteil: 4.000 Euro Geldstrafe und sieben Monate Haft - allerdings bedingt. Da der 81-Jährige ein reumütiges Geständnis abgelegt, seinen Führerschein abgegeben und versichert habe, nie mehr ein Fahrzeug lenken zu wollen, sei eine unbedingte Gefängnisstrafe nicht erforderlich, befand die Richterin.

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Hinzu kommen Schadenersatzansprüche der Verletzten. 3.000 Euro hat der Pensionist bereits vorab überwiesen. Über seinen Verteidiger ließ sich der Mann dann auch ausdrücklich bei den Unfallopfern für seine „unverzeihliche Tat aufrichtig entschuldigen“.

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