Die Krise hinter sich lassen
Von Michaela Höberth
Katharina ist Unternehmerin, sie sprüht vor Ideen. Doch ihr Businessplan geht nicht auf, sie baut Schulden auf. Bald kann sie die Miete nicht mehr zahlen, erst eine, dann auch eine zweite. Sie muss ausziehen.
Vera hatte im Urlaub einen Unfall. Die Konsequenz: Sie ist gehbehindert. Ihr Mann wendet sich von ihr ab, sie steht auf der Straße.
Anna hat einen neunjährigen Sohn und lebt in einer toxischen, gewalttätigen Beziehung – um ihrem Kind Mutter und Vater bieten zu können. Irgendwann beschließt sie, auszuziehen. Geld hat sie keines, sie war Hausfrau. Sie verlässt ihren Mann, obwohl sie keine Bleibe hat. Sie und ihr Sohn wohnen in einem Auto.
All das sind reale Fälle, die der im Weinviertel tätige Verein „Frauen für Frauen“ begleitet hat. Sie zeigen: Obdachlosigkeit oder Wohnungslosigkeit haben viele Gesichter. In Stockerau wird Frauen, die in eine Krise geraten, nun ein Dach über dem Kopf gegeben: Es wurden durch die Stadtgemeinde Frauennotwohnungen geschaffen. Diese bieten Frauen und auch ihren Kindern für bis zu neun Monate ein Zuhause. Der Verein unterstützt sie mit einer professionellen Begleitung dabei, zurück ins Leben zu finden.
„Wir geben diesen Frauen keine Almosen, sondern stärken sie. Sie sollen selbstbewusst, selbstbestimmt und selbstverantwortlich in ihr neues Leben starten. Das schaffen wir bei sehr vielen“, so Manuela Kräuter, Geschäftsführerin von „Frauen für Frauen“. Der Bedarf an Wohnungen ist groß: Alleine 23 Anfragen mussten im Vorjahr abgelehnt werden. Die sieben Notunterkünfte, die der Verein in Hollabrunn bietet, reichten nicht mehr aus.
Rückzugsort
Insgesamt gibt es in Niederösterreich 29 Notwohnungen für Frauen, 430 Frauen und Kinder wurden dort in den letzten fünf Jahren begleitet. „Ich bin davon überzeugt: Jeder und Jede kann in eine solche Situation kommen“, betonte SPÖ-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig. Der Vorteil in Stockerau: Das Haus ist nicht wie eine Wohngemeinschaft aufgeteilt, sondern bietet mit fünf eigenständigen Wohneinheiten auch Rückzugsorte und einen Garten. Im Keller wurden zudem zwei Beratungsräume für „Frauen für Frauen“ untergebracht.
„Wir haben für dieses Projekt 170.000 Euro in die Hand genommen, unsere Bauhof-Mitarbeiter haben Eigenleistungen im Wert von 40.000 Euro erbracht“, ist ÖVP-Bürgermeisterin Andrea Völkl stolz. Das Haus wird von der Stadt gemietet; ein erschütternder Femizid im Vorjahr hatte den Besitzer dazu veranlasst, mit der Gemeinde ins Gespräch zu kommen. Die Stadtpolitik, Vereine und Firmen haben an einem Strang gezogen, um innerhalb von nur vier Monaten Bauzeit einen Wohlfühlort für die Frauen zu schaffen. „Aber das war der leichte Part. Jetzt muss das Haus ins Leben geführt werden“, macht Geschäftsführerin Kräuter bewusst. Anfragen gibt es bereits.