Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land
Das Leben hat sich in den vergangenen Monaten stark geändert – und die Prioritäten in Bezug auf das Wohnen auch. Jetzt sind nicht mehr große Städte die Gewinner, sondern vielmehr kann das Land verstärkt als (Zweit-)Wohnsitzort punkten.
Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die rund 830-Seelen-Gemeinde Weiden bei Rechnitz (Bezirk Oberwart) mit elf Ortsteilen. Der Großteil des Gemeindegebiets ist bewaldet, rund vierzig Prozent werden landwirtschaftlich genutzt. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der sehr ländlichen Idylle hat die Gemeinde seit dem Vorjahr einen Bewohnerzuwachs, sagt Bürgermeister Wilhelm Müller (ÖVP).
Niedrige Preise
808 Hauptwohnsitzer und 297 Personen mit Nebenwohnsitz waren im Juni 2020 in der Gemeinde gemeldet. Am 1. Jänner dieses Jahres waren es bereits 834 Haupt- und 310 Nebenwohnsitzer. Auch wenn die Steigerung in absoluten Zahlen nicht so hoch scheint, sei der Anstieg für die kleine Gemeinde doch beachtlich und zeige die generelle Tendenz für das Südburgenland, meint Müller. „Die Grundstückspreise sind bei uns noch relativ günstig.“ Zwischen zwölf und 20 Euro kostet der Quadratmeter im Privatkauf in seiner Gemeinde. „Auch die Nähe zu den Thermen Bad Tatzmannsdorf und Stegersbach ist ein Vorteil.“ Nach einem Wohnsitz umsehen würden sich vor allem ältere Personen, aber auch jüngere, die sich zum Beispiel für Tierhaltung interessieren.
So plant etwa das Ehepaar Magner aus Salzburg in ihrer Pension ganz nach Weiden zu übersiedeln. „Während des Lockdowns waren wir schon oft hier“, sagt die 58-jährige Krankenschwester. Der Garten im Burgenland sei nur ein Vorteil gegenüber Salzburg, ein anderer die „Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft“.
Die mittelburgenländische Gemeinde Stoob wurde gar vor Kurzem von der Immobilien-Plattform „findmyhome“ zu einer der Top-Wunschlagen Österreichs gekürt. Laut Bürgermeister Bruno Stutzenstein (SPÖ) sind beinahe alle neu errichteten Wohnungen, Reihenhäuser und Bauplätze vergeben. Die gute Verkehrsanbindung zur S31, die Infrastruktur der nahen Bezirkshauptstadt Oberpullendorf sowie erschwingliche Preise seien ausschlaggebende Kriterien.
Magnet für Städter
Starke Bevölkerungszuwächse verzeichnet auch Parndorf im Bezirk Neusiedl am See. „Wir hatten Ende 2020 rund 5.000 Bewohner, vor 20 Jahren hatten wir die Hälfte“, sagt Listen-Bürgermeister Wolfgang Kovacs. Die Nähe zu Wien mit laut Kovacs „perfekter öffentlicher Anbindung“ mache seine Gemeinde zu einem Anziehungspunkt für Städter. „Von Parndorf kommt man mit dem Zug nach Eisenstadt, Neusiedl am See, Wien und Bratislava – einzigartig im Burgenland.“ Aufgrund dessen wurden bereits viele Piloten und Stewardessen, die am Flughafen Schwechat arbeiten, in Parndorf sesshaft. Mittlerweile gibt es ebensoviele Arbeitsplätze wie Bewohner. Des Designer Outlet ist sogar bis nach China bekannt.
Für das Vorjahr liegen die konkreten Zahlen zwar noch nicht vor, das Burgenland sei aber immer ein Zuwanderungsland gewesen, sagt Landesstatistiker Manfred Dreisker. Im Schnitt gibt es jährlich rund 2.000 Zuwanderer.
Nachfrage nach Grundstücken soll weiter steigen
Vom Trend „Hinaus auf’s Land“ profitieren Standorte, die binnen einer halben oder ganzen Stunde von einer Bundes- oder Landeshauptstadt aus erreichbar sind. Das geht aus einer Umfrage unter Experten des Immobiliennetzwerks Remax hervor.
Die größten Umsatzsteigerungen erreichte das Maklernetzwerk im Vorjahr im Burgenland mit einem Plus von 38,7 Prozent vor Kärnten mit einer Steigerung von 22,8 Prozent. Gefragt sind vor allem Baugrundstücke, gefolgt von Wohnobjekten in Einzellagen, Einfamilien- und Wochenendhäusern. Die Steigerung bei der Nachfrage nach Grundstücken soll heuer laut Remax-Prognose sogar bei einem Plus von 6,6 Prozent liegen.
Eigentum bevorzugt
Laut Ludwig Bresich, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Burgenland, würden die Burgenländer grundsätzlich Eigentum in Form von Einfamilien- und Reihenhäusern, aber auch Wohnungen bevorzugen. „Insbesondere im Nordburgenland werden diese Domizile zumeist als Hauptwohnsitz, aber sicher auch vermehrt als Anlage gesehen“, erklärt der Experte.
Die Preise sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Landessüden seien diese vergleichsweise niedriger. „Wenn sich durch die für 2023 geplante Fertigstellung der S7 die Verkehrsanbindung verbessert, wird die Nachfrage sicher auch im Süden steigen“, sagt Bresich.