Achtung beim Feiern: "Okay, das waren jetzt K.-o.-Tropfen"
Von Michael Pekovics
Nach dem Besuch einer Veranstaltung wachte die Südburgenländerin Marion G. (Namen der Redaktion bekannt; Anm.) mit einem anderen "Kater" auf, als sie es nach Nächten mit – vielleicht etwas zu viel – Alkohol gewohnt war.
Pochende Kopfschmerzen, heftige Übelkeit und ein allgemeines Gefühl der Ermattung machten der Mitte 30-Jährigen mehr zu schaffen, als nach einem "üblichen" Rausch.
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Das kam ihr komisch vor, also kontaktierte sie umgehend ihren Hausarzt und ließ sich Blut abnehmen. Und tatsächlich: Bei der Analyse ihrer Blutwerte, die sie auf eigene Kosten durchführen ließ, stellte sich heraus: "Okay, das waren jetzt K.-o.-Tropfen", erzählt sie dem KURIER.
Sie ist nicht das einzige burgenländische Opfer im heurigen Jahr. Und ihre Zahl nimmt laut Wahrnehmung der Polizei zu, auch wenn keine offiziellen Daten zu diesen Delikten vorliegen.
Denn während im städtischen Bereich das Thema K.-o.-Tropfen bereits seit einigen Jahren Probleme macht und dementsprechend genaue Kontrollen am Eingang der Klubs und bei Veranstaltungen zur Folge hat, ist das Thema am Land bei Weitem noch nicht so präsent.
Viele wissen gar nicht, dass sie zum Opfer wurden
Mit ein Grund, warum das Land Burgenland erst unlängst die Aktion "Behalt die K.O.ntrolle" ins Leben rief. Damit soll Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden. Denn oft ist es auch Scham, die die Opfer von einer Anzeige abhält. Oder noch schlimmer: Manchen betroffenen Personen ist gar nicht bewusst, dass sie K.-o.-Tropfen verabreicht bekommen haben.
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Ins Visier der verantwortungslosen Täter geraten übrigens nicht nur Teenager, sondern auch ältere Personen. Meist sind die Opfer aber Frauen.
Was ist das eigentlich?
Die Substanzen, die dabei verabreicht werden, sind meist geruchs- und farblos und haben einen leicht bitteren, salzigen oder seifigen Beigeschmack, der in einem alkoholischen oder einem Mixgetränk oft nicht wahrnehmbar ist. Die Wirkung von K.-o.-Tropfen setzt sehr plötzlich ein. Nur in den seltensten Fällen könnten Beweise gesichert werden, da die Tropfen nur kurze Zeit im Blut oder im Urin nachweisbar sind.
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- Neben dem klassischen Trinkalkohol, also Ethanol, der in großen Mengen auch betäubend wirken kann, ist GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) die bekannteste Betäubungssubstanz.
- Vor etwa 20 Jahren fand GHB Einzug in den Bereich der Missbrauchsdrogen und wird auch als Liquid Ecstasy bezeichnet.
- GHB wirkt in Dosierungen von etwa einem Milliliter mild euphorisierend, sozial öffnend und sexuell stimulierend.
- Der Drogen-Schwarzmarkt hat schnell entdeckt, dass sich diese Chemikalie einfach aus dem Lösungsmittel Gamma-Butyrolacton (GBL) synthetisieren lässt.
- Man kennt die Substanz aus dem Kfz-Bereich, etwa Felgenreiniger. Da es sich bei diesen Stoffen um wichtige Industriechemikalien handelt, ist eine gesetzliche Kontrolle kaum möglich.
- Was all diese Stoffe gemeinsam haben, ist die extrem enthemmende Wirkung und der anschließende „Filmriss“.
- Sie alle wirken auf das Zentralnervensystem und schränken die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit massiv ein. Schwindel, starke Verhaltensänderung, Benommenheit, Übelkeit, vermeintlich übertrieben gute Laune.
Die Nachweisbarkeit betrage im Blut etwa nur sechs bis acht Stunden, im Urin könnten die Tropfen etwas länger nachgewiesen werden, sagt Landespolizeidirektor Martin Huber. "Deshalb ist es ganz wichtig, den Sachverhalt so schnell wie möglich bei der Polizei anzuzeigen, umgehend in ein Krankenhaus zu fahren beziehungsweise die Rettung zu alarmieren und vor allem auch darauf zu bestehen, dass im Krankenhaus Blut oder Harn abgenommen werden, um entsprechende Proben für die weiteren Untersuchungen zu bekommen", hebt der Landespolizeidirektor hervor.
Den Opfern fehlt häufig die Erinnerung an einige Stunden. Sie wachen manchmal an fremden Orten auf, fehlende Kleidung oder Schmerzen im Unterleib deuteten auf sexuelle Übergriffe hin. Aber auch Raubdelikte würden gemeldet, so die Polizei. Der Appell der Ordnungshüter: Sein Glas nie unbeaufsichtigt lassen.
"Behalt die K.O.ntrolle"
Weil sich derartige Vorfälle auch im Burgenland häufen, startet das Land gemeinsam mit der Frauenberatungsstelle „Der Lichtblick“ unter dem Motto: „Behalte die K.O.ntrolle“ eine landesweite Kampagne, die an die Aufmerksamkeit appellieren und zu Zivilcourage aufrufen soll.
"Passt aufeinander auf. Lasst eure Getränke nicht unbeobachtet herumstehen. Kümmert euch um eure Freunde, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr Verhalten plötzlich völlig verändert ist. Und meldet jeden Verdacht", sagte Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf (SPÖ) bei der Präsentation der Kampagne.