Tausende fliehen – Millionen könnten es werden

Drei Kinder sitzen vor einem LKW auf dem Boden.
Armee-Offensive um Aleppo zieht Flüchtlingsstrom nach sich. Memo gegen Luftzwischenfälle USA-Russland unterzeichnet.

Während die Offensive der syrischen Armee in der Region Homs kaum voranzukommen scheint, verzeichnet die Regierungsallianz aus Armee, der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und iranischen "Beratern" sowie russischer Luftunterstützung um Aleppo deutliche Geländegewinne. Sukzessive rücken die Einheiten auf die südlichen und östliche Vorstädte der geteilten Stadt vor, erweitern aber zugleich auch ihre Territorien im Norden und Westen Aleppos. In der schwer zerstörten Stadt selbst, deren östlicher Teil von Rebellen und westlicher Teil von der Armee kontrolliert wird, ist es derweil noch ruhig.

Die schweren Gefechte im Umland aber haben bereits jetzt einen massiven Flüchtlingsstrom ausgelöst. Laut dem UNO-Koordinierungsstab für humanitäre Notlagen (OCHA) sind bereits Zehntausende Menschen aus dem Großraum Aleppo geflohen. Zwischenzeitlich seien sie nördlich der Stadt auf einem Gebiet untergekommen, das von Rebellen kontrolliert wird. Es fehle an Nahrung, medizinischer Versorgung und Unterkünften, so OCHA.

Humanitäre Hilfe ist in dieser Region, wo zahlreiche unterschiedliche Rebellengruppen aktiv sind, besonders kompliziert. Es scheint also nur eine Frage der Zeit, bis die Vertrieben in die Türkei weiterziehen.

Vor allem aber scheint die Offensive der Armee in der Region gerade einmal in ihrer Anfangsphase zu stecken. Derzeit geht es offenbar vor allem um die Sicherung des Umlandes sowie darum, die Belagerung einer syrischen Luftwaffenbasis durch den "Islamischen Staat" östlich von Aleppo zu durchbrechen.

Aber sowohl die Stadt Aleppo als auch die Rebellengebiete nördlich bis zur türkischen Grenze haben seit Kriegsbeginn zahllosen Menschen aus ganz Syrien als Zufluchtsort gedient. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuletzt vor einer weiteren Flüchtlingswelle mit bis zu drei Mio. Menschen gewarnt – und sich dabei vor allem auf den Großraum Aleppo bezogen, sollte dieser von der Armee zurückerobert werden.

Mit einem schriftlichen Memorandum haben die USA und Russland sich auf direkte militärische Absprachen geeinigt, um Zwischenfälle im Luftraum über Syrien zu vermeiden. Teil des Papiers sei die Einigung auf einen "sicheren Abstand" zwischen Flugzeugen und Drohnen, sagte Pentagon-Sprecher Peter Cook am Dienstag in Washington, ohne konkrete Entfernungen zu nennen.

Für den Fall, dass Piloten in der Luft nicht direkt miteinander sprechen könnten, gebe es am Boden einen weiteren Kommunikationskanal. Das Dokument sei auf Bitten der russischen Seite nicht veröffentlicht worden.

"Wichtiger Schritt"

Das russische Verteidigungsministerium sprach von einem "wichtigen Schritt". Der Text des Memorandums zur Vorbeugung von Zwischenfällen sei "präzise abgestimmt" worden, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow in Moskau. "Wir hoffen, dass dieses Dokument für die Luftstreitkräfte aller Länder der Anti-IS-Koalition gelten wird. Die USA haben sich verpflichtet, die Regeln an alle ihre Partner weiterzugeben, die in Syrien operieren", meinte der Offizier der Agentur Interfax zufolge.

Bisher habe es eine "Handvoll" Fälle im Luftraum über Syrien gegeben, die Washington als unsicher einstufe, sagte Cook. Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf anonyme Quellen im Pentagon, dass ein russischer Kampfjet sich einem US-Flugzeug auf 150 Meter genähert habe. In einem weiteren Fall habe die Entfernung einer russischen Maschine zu zwei US-Jets weniger als 500 Meter betragen.

Russland und eine US-geführte Koalition fliegen im Bürgerkriegsland Syrien Luftangriffe, die aber nicht miteinander koordiniert werden. Russland fliegt seine Luftangriffe erst seit Ende September, um nach eigener Darstellung "Terroristen" wie den "Islamischen Staat" (IS) zurückzudrängen. Washington wirft Moskau jedoch vor, vor allem vom Westen unterstützte gemäßigte Rebellen anzugreifen, um Machthaber Bashar al-Assad zu stärken.

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