Weibliche Flüchtlinge werden in Europa sexuell belästigt
Auf ihrer Flucht aus Syrien und dem Irak sind viele Frauen nach Angaben von Amnesty International (AI) Gewalt, Ausbeutung und sexueller Belästigung ausgesetzt. Dies gelte "für jede Station ihrer Reise, einschließlich auf europäischem Boden", berichtete die Menschenrechtsorganisation am Montag. Sie rief Regierungen und Hilfsorganisationen auf, für die Sicherheit der Frauen zu sorgen.
AI befragte nach eigenen Angaben 40 weibliche Flüchtlinge in Norwegen. Viele hätten von physischem Missbrauch und finanzieller Ausbeutung berichtet. Sie seien von Schmugglern, Sicherheitspersonal oder anderen Flüchtlingen unter Druck gesetzt worden, Sex zu haben.
"Nachdem sie die Schrecken des Krieges in Syrien und im Irak erlebten, haben diese Frauen alles riskiert, um für sich und ihre Kinder Sicherheit zu finden", sagte AI-Mitarbeiterin Tirana Hassan. Stattdessen seien sie "erneut Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt, mit wenig Unterstützung oder Schutz".
Auch Kinder betroffen
Der Kinderhilfsstiftung World Childhood Foundation zufolge werden auch Kinder Opfer von sexuellen Übergriffen. Viele verlieren auf der meist lebensgefährlichen Reise ihre Familien und sind Schleppern dann schutzlos ausgeliefert.
Die Leiterin der SOS-Kinderdörfer in Serbien, Vesna Mrakovic-Jokanovic, weiß um die gefährlichen Situationen für die Mädchen und Buben auf ihrer Flucht. "Wir haben erlebt, dass Eltern sich unterwegs von ihren Kindern trennen, weil sie mit diesen zu langsam vorankamen. Später wollen sie ihre Kinder dann nachholen", sagte sie in einem Interview im September letzten Jahres. Menschenhändler hätten es besonders auf junge Mädchen abgesehen.
Traumatische Erlebnisse
Eine Studie der Technischen Universität München aus dem Jahr 2015 zeigt, dass die Mehrheit der Kinder erst in der Heimat und später auf der Flucht traumatische Erlebnisse hatte: Rund ein Drittel aller Flüchtlingskinder leiden an einer psychischen Belastung, jedes fünfte an einer posttraumatischen Belastungsstörung. "Umso wichtiger ist es, dass wir hier alles dafür tun, dass sie hier in Deutschland nicht weitere Traumata erleben", sagt Johannes-Wilhelm Rörig, der Beauftragte der deutschen Regierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs.
Der Missbrauchs-Experte fürchtet, dass die Buben und Mädchen in den zentralen Unterkünften weiteren problematischen Erlebnissen ausgesetzt sein könnten, weil sie dort nicht ausreichend vor sexuellen Übergriffen geschützt sind. Die Abläufe in Zeltlagern, Gemeinschaftsunterkünften und Kasernen seien oft sehr ungeordnet. "Meine größte Angst ist, dass unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft Pädosexuelle versuchen könnten, Kontakt zu Kindern aufzunehmen."
Es müsse deshalb schnell Mindeststandards in den Unterkünften geben, die schon jetzt für Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Sportvereine gelten. "Flüchtlingsunterkünfte dürfen kein Tatort für sexuelle Übergriffe werden", fordert Rörig. Nach Geschlecht getrennte, abschließbare Toiletten und Waschräume, erweiterte Führungszeugnisse des Personals, klar erkennbare Beschwerdemöglichkeiten für die Flüchtlinge und auf das Thema sensibilisierte Helfer seien nur einige Bestandteile des Schutzkonzeptes.
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