Gesucht: Ideale Schwiegertochter

Eine lächelnde Braut mit Diadem und Schleier im Auto zeigt ein Victory-Zeichen.
Mehr als 200 Millionen chinesische Singles sollen unter die Haube, Eltern suchen auf dem Heiratsmarkt.

Wer an die romantische Liebe glaubt, dem muss der Zhong Shan Park in Peking wie ein Vorhof der Hölle erscheinen. Wie jeden Sonntag sind rund eintausend Mütter und Väter gekommen. Es geht zu wie auf einem Flohmarkt. Nur dass hier statt altem Plunder die eigenen Kinder feilgeboten werden.

Die meisten Eltern haben ein weißes Papier vor sich auf den Boden geklebt. Frau, geboren 1987, 165 cm groß, 54 Kilo, Hochschulabschluss steht etwa auf einem Zettel. Nur Männer mit Eigentumswohnung akzeptiert, fordert ein Vater für seine Tochter ein paar Meter weiter.

Andere Chinesen, viele mit Stift und Notizblock in der Hand, gehen langsam vorüber und studieren die Angaben. Sie stellen einmal hier eine Nachfrage, schreiben sich da einmal etwas auf. Die Kuppelei ist eine ernste Angelegenheit: „Ich komme schon seit fast zwei Jahren hierher, aber es gibt einfach zu viele Frauen“, stöhnt ein Pekinger Vater einer Tochter: „Viele Wanderarbeiter vom Land wollen ihre Töchter an einen Hauptstädter verheiraten. Deswegen gibt es hier so viele Frauen. Junge Männer dagegen sind selten.“

Frauen betrachten Aushänge und machen sich Notizen.
epa03101900 Single young people view marriage advertisements looking for spouses as they take part in a matchmaking party in Qingdao city, eastern China's Shandong province, 12 February 2012. Many matchmaking party held for single young people to help them to get married as Valentine's day aproches. EPA/WU HONG
Überall in China finden am Wochenende solche Kuppel-Märkte statt. Vor allem in Metropolen wie Peking, Schanghai oder Guangzhou. Wegen der staatlich verordneten Familienplanungspolitik haben die meisten Eltern nur ein Kind. Und viele wollen für den Nachwuchs das Gleiche: „Frauen suchen traditionell einen Partner, der über ihnen steht, sowohl altersmäßig als auch in Bezug auf die Ausbildung“, sagt Qiao Xiaochun, Professor für Bevölkerungsentwicklung an der renommierten Peking Universität, der das Phänomen seit Jahren beobachtet. „Männer hingegen wollen eine jüngere Frau, die ihnen auch ökonomisch unterlegen ist.“

Mehr als neunzig Prozent der erwachsenen Chinesen sind verheiratet. Singles sind selten und werden in der Gesellschaft komisch angeschaut. Bis Mitte, spätestens Ende zwanzig sollte eine Frau unter der Haube sein.

Doch Chinas Modernisierung bringt die Beziehungsanbahnung aus dem Gleichgewicht. Denn immer mehr gut ausgebildete Frauen leben in den Städten. Wenn sie sich bei der Partnersuche nun nach oben orientieren, dann sind da nicht viele passende Kandidaten. „Und je älter die Frauen werden, desto geringer wird die Chance, einen Mann zu treffen, der noch nicht vergeben ist“, sagt Qiao Xiaochun.

Unter Druck

Viele Eltern machen ihren Kindern deswegen schon mit Anfang zwanzig Druck. Auch moderne, offene Chinesen müssen die Kuppelei über sich ergehen lassen. Etwa Li Danwei. Die 24-Jährige hat in Peking studiert, sie hat internationale Freunde und ist schon öfter ins Ausland gereist. Trotzdem stellte ihr die Familie kürzlich einen möglichen Ehemann vor: „Wir haben uns ein bisschen unterhalten, und hinterher wollte er gleich von meiner Tante wissen, was ich für ihn empfinde“, erzählt sie. „Ich habe gesagt, dass ich ihn sympathisch finde, aber dass ich nach nur einem Treffen keine Gefühle habe.“ Das reichte dem jungen Mann nicht. „Er hat sich dann nicht mehr gemeldet.“

Männerüberschuss

Die Partnerwahl in China stellt auch die Bauern vor große Herausforderungen. Allerdings mit gegensätzlichen Kennzeichen. Auf dem Land herrscht Männerüberschuss. Das liegt vor allem an der staatlich verordneten Ein-Kind-Politik. Denn weil die Bauern traditionell einen männlichen Stammhalter bevorzugen, haben sie während der vergangenen Jahre Millionen weiblicher Föten abgetrieben. Heute kommen auf 100 Frauen 117 Männer.

Schätzungen zufolge sind 20 Millionen Chinesen zu einem Junggesellen-Dasein verdammt. „Sie haben kein Sexualleben, viele sind einsam und müssen die eigenen Eltern pflegen, wenn sie alt und gebrechlich werden“, mahnt Qiao Xiaochun.

In den Grenzregionen zu den noch ärmeren Ländern Laos und Vietnam kaufen Männer bereits seit Jahren Frauen von der anderen Seite der Grenze. In anderen Regionen ist es üblich, dass sich mehrere Brüder eine Frau teilen. Doch all das kann die Nachfrage nicht stillen: „Wir fürchten, dass die ledigen Männer aggressiv werden“, sagt Qiao Xiaochun von der Volksuniversität. „Und dass mehr und mehr Frauen vergewaltigt werden könnten.“

Auf dem Pekinger Heiratsmarkt geht die Suche unterdessen weiter. Wo ein attraktiver Mann im Angebot ist, bildet sich meist eine Menschentraube. Was arbeitet er? Hat er ein Auto? Eine Eigentumswohnung? Viele Eltern fragen ungeniert nach.

Auch für Li Danweis Familie sind die materiellen Voraussetzungen des künftigen Ehemannes wichtig. Die Verwandten liegen der 24-Jährigen täglich mit dem Thema Heirat in den Ohren. Noch findet sie sich für eine Hochzeit zu jung, gleichzeitig aber lastet der Druck der Verwandten schwer auf ihr. „Wie soll ich den Richtigen finden? Ich arbeite und habe gar nicht so viel Zeit“, stöhnt die 24-Jährige.

Immerhin hat sie einen ersten Ausweg gefunden und sich soeben für einen Tanzkurs angemeldet. Ein bisschen Abwechslung nach Feierabend kann nicht schaden, meint sie. Und vielleicht trifft sie dort ja endlich Mister Right.

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