Dieses Besteckset ist designt für Genießer
Von Julia Beirer
Zwei Monatsgehälter. So viel hat sich Architektin und Designerin Vera Purtscher vor über zwanzig Jahren für vier einzelne Stücke eines Bestecksets von Josef Hoffmann kosten lassen. „Völlig wahnsinnig“, sagt sie heute, „eigentlich bin ich ein sparsamer Mensch, aber es hat mir so gut gefallen.“ Als sie es am selben Abend ausprobiert hat, war die Enttäuschung groß: „Es liegt miserabel in der Hand.“
Kurzerhand begann sie selbst Skizzen zu zeichnen. Zunächst ohne das Ziel, den Besteckentwurf auch tatsächlich fertigen zu lassen. Ein Interview mit Alberto Alessi, Gründer des gleichnamigen italienischen Besteckherstellers, nahm ihr die Angst. Purtscher zeigte ihm den Entwurf eines Stövchens. Es ist bis heute das einzige Stück einer österreichischen Designerin, das für Alessi in Serienproduktion gegangen ist.
"Es muss gut in der Hand liegen"
Wichtig war Purtscher, die Funktion in den Mittelpunkt zu stellen. „Wenn ich esse, will ich doch nicht an das Ding in meiner Hand denken. Es soll einfach seinen Zweck erfüllen“, erklärt die 58-Jährige. Die Balance muss stimmen, die Haptik passen, genauso wie die Gewichtsverlagerung.
Aber auch die Ästhetik ist wichtig. Die erste Skizze – der Löffel mit kleinem Schwung – sei intuitiv entstanden und Berndorf Besteck hat eingewilligt den ersten Prototyp anzufertigen. Sieben Jahre haben sie gemeinsam an der finalen Version getüftelt.
„Alle waren vom Resultat begeistert, aber es war nicht marktfähig. Die Produktion wäre zu teuer und aufwendig gewesen. Ich habe ja auch verschiedene Sets für Rechts- und Linkshänder designt.“ So kurz vor dem Ziel wollte sie nicht aufgeben und hat beschlossen, ihr komplettes Erspartes bis auf den letzten Cent zu investieren.
Vera Purtscher hat also 3.500 Sets mit je 18 Stück in Auftrag gegeben. „Irgendwann ist dann ein Lastwagen nach Hause gekommen mit 3,5 Tonnen Besteck.“ Den Preis, den sie dafür bezahlt hat, nennt sie nicht.
Ein befreundeter Haubenkoch in Vorarlberg hat das Besteck kurz darauf für sein Restaurant gekauft. Bald waren auch das Steirereck in Wien, das Tantris in München und Gabriel Kreuther in New York interessiert.
Warum ist das Besteck nun schief?
Für Purtscher ist Besteck ein Werkzeug – es soll das Essen erleichtern. Einen Suppenlöffel muss man normalerweise drehen, um ihn zum Mund zu führen. „Mein Löffel kommt dem Mund entgegen.“
Dasselbe gilt für die Gabel. „Diese werden schief gehalten und seitlich ins Fleisch gestochen.“ Von vier Zinken erfüllen nur zwei eine Funktion, die anderen beiden nicht. „Genau deshalb ist Linkshänderbesteck wichtig. Gute Gabeln sind das Tüpfelchen auf dem I für Perfektionisten.“