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Österreichs Gletscher und der Klimawandel: Bilder eines Niedergangs

Hohe Berge, klare Luft und weiße Gipfel. Das Bild eines Gletschers ist geradezu ikonisch für Österreich. Doch der Klimawandel macht auch vor den Eiskuppen unserer Berge nicht halt. Das Tempo, in dem die Gletscher schmelzen, beschleunigt sich zunehmend. Längst sind das keine statistischen Details mehr, der Rückgang lässt sich praktisch Jahr für Jahr in Fotovergleichen festhalten. Negativrekordträchtige 25 Meter verloren ihre Zungen hierzulande im vergangenen Jahr laut einem Bericht des Alpenvereins an Länge. 

Dafür zuständig, Die Gletscher zu beobachten, ist Gerhard Lieb. Der Geograf von der Uni Graz, ist beim Gletschermessdienst und sieht über 100 heimischen Gletschern beim Schmelzen zu. Auch wenn die Gletscher "ein Zeiterl brauchen, bis sie wirklich verschwunden sind", sei sicher, dass "die schönen weißen Flächen immer kleiner werden, die im Sommer die Berge zieren".

Vermunt-, Ochsentaler- und Schneeglocken-Gletscher

Das liegt nicht nur daran, dass das Eis immer weniger wird, sondern auch daran, wie es aussieht. Die Schmelze habe einen interessanten Nebeneffekt. Sie brächte Schutt auf die Eisflächen. Das schöne Weiß wird deshalb zur gräulichen Masse. Für normale Beobachter sind die verbleibenden Gletscher deshalb nicht nur nicht als die gewohnten Eisflächen zu erkennen, sondern sehen auch verschmutzt aus.

Die Luftverschmutzung sei zwar teilweise, aber nicht hauptsächlich verantwortlich für die gräulichen Bilder, erklärt Lieb. "Der Schutt ist ein ganz natürlicher Prozess der Abschmelzung." Er helfe sogar ein wenig dabei, die Schmelze zu verlangsamen, weil er das Eis vor der direkten Sonneneinstrahlung schützt. 

Brandner Gletscher

Der Effekt sei gar nicht so einfach zu berechnen. Darum und aus anderen Ungewissheiten heraus, ist auch nicht ganz sicher, bis wann die Gletscher in Österreich tatsächlich komplett verschwunden sein werden. Es hängt jeweils davon ab, wie groß die einzelnen Gletscher sind und wie hoch sie liegen. Der Dachsteingletscher mit seinem Skigebiet wird ungefähr bis 2050 praktisch weg sein, sagt Lieb. Der Gepatschferner in den Tiroler Alpen ist hingegen noch so groß, dass er auch bis Ende des 21. Jahrhunderts noch Eisflächen haben könnte. Seine heute noch kilometerlange Zunge wird dann auch verschwunden sein. Sie hat allein im Vorjahr 125 Meter an Länge verloren.

Gepatschferner

Auch die Gletscherzunge des größten Gletschers Österreichs, der Pasterze am Großglockner, ist an ihrer dicksten Stelle heute noch 200 Meter dick. Derzeit gibt es laut dem Geografen ein jährliches Abschmelzen um vier bis fünf Meter pro Jahr. Aber es lasse sich nicht einfach linear in die Zukunft weiterrechnen. Langfristige Prognosen sind auch schwierig, weil unklar ist, ob und wie sehr die Weltgemeinschaft die radikale Erderwärmung durch politische Maßnahmen reduzieren kann.

"In der Trump-Ära sieht die internationale Klimapolitik dafür aber nicht allzu gut aus", schätzt Lieb. Der US-Präsident hat sein Land bekanntlich aus dem Pariser Klimavertrag zurückgezogen - und schon die Zusagen, die Nationalstaaten darin zu Kampfmaßnahmen geben, sind eigentlich zu wenig, um zumindest noch das Bestmögliche aus der dramatischen Situation zu machen.

Pasterze

Das Gletscherschrumpfen auch in Österreich lässt sich aber schlicht nur durch weltweite Bemühungen bremsen. Lokal, regional und national lässt sich da nichts erreichen. In kleinsten Dimensionen kann man Gletscher zwar mit Folien bedecken, um kleine Flecken Eis über den Sommer zu konservieren. Das werde in allen erschlossenen Gletschergebieten auch gemacht, sagt der Gletscherbeobachter. Mehr als kurzfristige Kosmetik ist das aber nicht.

Umbalkees

Was tun Gletscher eigentlich für uns, außer schön auszusehen und so manchen Sommerskifahrer zu erfreuen? "Sie haben eine Funktion im Wasserhaushalt", sagt Lieb. Ihre Wasserspenden füllen die österreichischen Flüsse und andere Gewässer zusätzlich auf. Das nutze etwa auch der Energiewirtschaft.

Der Strom gehe uns aber auch ohne sie nicht aus. Die heimischen Kraftwerke sind so konzipiert, dass sie nicht unmittelbar auf die Gletscher angewiesen seien, das bestätigte auch der Verbund dem KURIER auf Nachfrage. Das gilt auch für die Trinkwasserversorgung. Die Versorger sind in Österreich im Großen und Ganzen nicht davon abhängig, dass Wasser aus den Gletschern fließt, sondern auf Grundwasser, das sich aus Niederschlägen speist.

Hornkees

Der Klimawandel insgesamt wird auch in Österreich gravierende Folgen haben. Aber betrachtet man den Gletscherschwund für sich allein, dann sieht der Geograf im Gegensatz zu anderen Teilen der Welt keine dramatischen Auswirkungen: Im lokalen Maßstab könnten die Veränderungen zum Teil groß sein. Die aus Gletschern gespeisten Bäche werden zum Beispiel ihre sommerlichen Hochwasser verlieren. Auch Bergwege könnten gefährlicher werden. "Aber das Verschwinden der Gletscher in Österreich ist für die breite Öffentlichkeit unproblematisch", fasst Lieb zusammen.

Waxeggkees

Heute lebende Österreicher gehören jedenfalls ziemlich sicher zu den letzten Generationen, die überhaupt noch heimische Gletscher kennen werden. Denn sind diese einmal verschwunden, dann kehren sie nicht so leicht wieder. Das Klima muss über Jahrzehnte feucht und kalt sein, damit Gletscher langsam entstehen und wachsen. "Das wäre ganz grauslich", sagt Lieb etwas schmunzelnd. Die Hochsommer müssten dazu so sein, wie jetzt das Wetter im April oder Mai. 

Wir Menschen von heute (und in absehbarer Zukunft) werden solche Klimabedingungen nicht mehr erleben.