Wissen/Gesundheit

Wiener Wissenschafter entdecken Immun-Signatur für Long Covid

Schwere Covid-19-Krankheitsverläufe sind durch überschießende Immun- und Entzündungsprozesse im Körper charakterisiert. Beim Long Covid-Syndrom dürfte - umgekehrt - offenbar ein stark anti-entzündlicher Immunstatus gegeben sein.

Das könnten Wiener Wissenschafter jetzt mit umfangreichen Blutplasma-Analysen von Geimpften ohne nachfolgende Erkrankung, Personen mit restlos überstandener Covid-19-Infektion und Long Covid-Patienten herausgefunden haben. Die wissenschaftliche Arbeit von Experten um Christopher Gerner von der Fakultät für Chemie der Universität Wien und von Forschern der MedUni Wien ist jetzt im Open Acess-Online-Journal "iScience" erschienen.

Long-Covid: "Neue somatische Erkrankung"

"Seit dem Beginn der Pandemie ist es auch offensichtlich geworden, dass sich nicht alle Patienten nach einer SARS-Cov-2-Infektion wieder vollständig erholen. Zunächst hat man die Symptome Betroffener hauptsächlich psychologischen Faktoren wie Ängsten und Stress zugeschrieben. Mittlerweile wird anerkannt, dass chronisch anhaltende Covid-19-Symptome nach einer akuten Infektion eine neue somatische Erkrankung darstellen, die als post-akutes Covid-19-Syndrom (PACS) oder Long Covid-19-Syndrom bezeichnet wird."

Viele Fragen zu Long Covid konnte bisher noch nicht aufgeklärt werden, stellen die Autoren der Studie fest: "Auffallenderweise entwickelt sich das Long Covid-Syndrom unabhängig von der Schwere der Covid-19-Erkrankung. Mögliche Risikofaktoren und Begleiterkrankungen werden kaum verstanden." Chronische Erschöpfungszustände (Chronic Fatigue Syndrom), Konzentrationsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Atemnot etc. würden jedenfalls die Lebensqualität der Betroffenen schwer beeinträchtigen. Bisher gäbe es aber keine exakten verfügbaren Marker, mit denen man eine mögliche Long Covid-Diagnose absichern könnte.

Blutplasma-Analyse

Genau solche Labor-Charakteristika wollten die Wiener Wissenschafter mit ihrer Arbeit identifizieren. Dazu analysierten sie das Blutplasma von dreimal 13 vergleichbaren Probanden auf deren Immunstatus: Eine Gruppe von gesunden, gegen Covid-19 Geimpften ohne nachfolgende Infektion, eine zweite Gruppe mit ohne bleibende Symptome genesenen Covid-19-Betroffenen (mindestens zwölf Wochen nach der akuten Erkrankung) und schließlich eine dritte Gruppe von Ex-Covid-19-Patienten (ebenfalls im Abstand von drei Monaten nach der Infektion) mit anhaltenden chronischen Erschöpfungszuständen. Untersucht wurden das Blutplasma an einer speziellen Einrichtung der Fakultät für Chemie der Uni Wien (Joint Metabolome Facility).

Die Ergebnisse sprechen offenbar dafür, dass es bei Long Covid-Patienten zu einem signifikant anderen Immunstatus als bei Genesenen ohne bleibende Symptome kommt: "Die vielfältige Analyse der Profile an Zytokinen (Immunbotenstoffe; Anm.) zeigte bei Probanden, die sich von einer Covid-19-Erkrankung erholt hatten, im Vergleich zu Long Covid-Syndrom-Patienten gering erhöhte Entzündungs-fördernde Zytokin-Konzentrationen."

Umgekehrt fanden sich bei den Long Covid-Betroffenen im Blutplasma signifikant geringere Konzentrationen an Interleukin-18, Tumornekrosefaktor-Rezeptoren II und anderen entzündlichen Parametern. Der Unterschied zwischen den Long Covid-Patienten und den bloß gegen Covid-19 Geimpften war geringer als jener zwischen den Probanden mit restlos überstandener SARS-CoV-2-Infektion und den Personen mit anhaltenden Erschöpfungssymptomen. Wahrscheinlich dürften bei der Gruppe der wieder völlig Genesenen die Entzündungswerte im Blut längerfristig erhöht sein.

Erhöhte Anti-Entzündungsmarker bei Long Covid

Charakteristisch für Long Covid-Betroffene waren auf der anderen Seite erhöhte Blutwerte von anti-entzündlichen Eiweißstoffen, sogenannte Oxylipine, Omega-3-Fettsäuren, Taurine etc. Das dürfte laut den Wissenschaftern auf sogenannte M2-Makrophagen zurückzuführen sein, die anti-inflammatorisch wirken. Jedenfalls schreiben die Wiener Wissenschafter, dass ihre Resultate für Zukunft wichtig sein könnten: Insgesamt stelle man offenbar typische Marker-Charakteristika im Blutplasma vor, die bei Long Covid-Patienten vorkämen. Das könnte die Diagnose des Syndroms und die Suche nach Therapien erleichtern.

Laut dem deutschen Robert Koch Institut haben internationale Studien sehr unterschiedliche Raten des Long Covid-Syndroms ergeben: Die Häufigkeit nach akuter Covid-19-Erkrankung lag in diesen Untersuchungen zwischen 7,5 Prozent und 41 Prozent bei Erwachsenen ohne Spitalsaufenthalt wegen der SARS-CoV-2-Infektion. Bei wegen Covid-19 hospitalisierten Patienten wurde eine Long Covid-Häufigkeit von knapp 37 Prozent beobachtet.

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