Rückblickende Studie: Wie die meisten Corona-Ansteckungen erfolgen
Aufgrund des explosionsartigen Infektionsgeschehens ist zuverlässiges Contact-Tracing, also die Rückverfolgung aller Infektionen, in Österreich momentan nicht mehr möglich. Um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus einzudämmen, ist es allerdings wichtig, zu wissen, wie und wo Ansteckungen besonders oft passieren.
Im Auftrag des Gesundheitsministeriums führen Experten in Singapur seit Pandemie-Beginn eine umfassende Kontaktrückverfolgung sämtlicher diagnostizierter Covid-19-Fälle durch, heißt es in einer kürzlich im Fachblatt The Lancet erschienenen Untersuchung einleitend.
Daraus lassen sich nun rückblickend gezielt Schlüsse darauf ziehen, wie Übertragungen innerhalb und außerhalb von Haushalten ablaufen, welche Risikofaktoren sich identifizieren lassen und – nicht zuletzt – welche Rolle asymptomatische Infizierte in der epidemiologischen Kette spielen.
Rückblicken betrachtet
Die retrospektive Kohortenstudie umfasste alle engen Kontakte von bestätigten Covid-19-Fällen in Singapur, die zwischen dem 23. Jänner und dem 3. April 2020 registriert wurden. Man definierte Haushaltskontakte als Personen, die einen Wohnsitz mit der infizierten Person teilen. Als enge Kontakte außerhalb des Haushalts stufte man Personen ein, die dem Infizierten für mindestens 30 Minuten näher als zwei Meter kamen, etwa im Büro.
Alle Covid-19-Patienten wurden stationär behandelt, alle Kontaktpersonen unter 14-tägige Quarantäne gestellt und regelmäßig kontaktiert und getestet. Im Durchschnitt waren die Personen 33 Jahre alt, die Studienteilnehmer hielten sich in puncto Geschlecht nahezu die Waage.
In Summe identifizierte man in Verbindung mit 1.114 PCR-bestätigten Corona-Infizierten 7.770 enge Kontaktpersonen. Zu den meisten Ansteckungen kam es der Auswertung nach in 5,9 Prozent aller 1.779 Haushaltskontakte, verglichen mit 1,3 Prozent der 2.231 Arbeitskontakte sowie 1,3 Prozent der 3.508 Sozialkontakte.
Bei den zwischen Jänner und April aufgrund von auftretenden Symptomen verordneten PCR-Tests wurden 188 Ansteckungen unter den Kontakten ermittelt. 7.582 enge Kontakte beendeten die vollständige Quarantäne schließlich ohne einen positiven SARS-CoV-2-PCR-Test.
Antikörpernachweise mittels serologischer Untersuchungen ergaben nachträglich, dass bei einer rein symptombasierten PCR-Teststrategie 62 Prozent der Infektionen nicht erkannt wurden. Insgesamt zeigten sich 36 Prozent der infizierten Kontaktpersonen symptomlos. Die Forscher weisen daher noch einmal explizit darauf hin, auch asymptomatische Patienten zu berücksichtigen, die eine Infektion unbemerkt weitertragen können.
Risiko im Schlafzimmer
Das gemeinsame Benützen des Schlafzimmers und verbaler Austausch, der länger als 30 Minuten dauerte, standen mit der SARS-CoV-2-Übertragung zwischen Haushaltskontakten in Zusammenhang. Bei Kontakten außerhalb des Haushalts wurden verbaler Austausch (ab 30 Minuten) und die gemeinsame Nutzung eines Fahrzeugs als Risikofaktoren identifiziert.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Infektionsraten bei Haushaltskontakten höher sind als bei Nichthaushaltskontakten", schreiben die Forscher in der Zusammenfassung ihrer Erkenntnisse. "Darüber hinaus sind epidemiologische Risikofaktoren für die SARS-CoV-2-Übertragung bei engen Kontakten physische Nähe und eine längere Dauer der verbalen Interaktion – sowohl im Haushalt als auch außerhalb des Haushalts."
Bei der Lockerung von Corona-Maßnahmen sei daher das Beibehalten von Masken, Social Distancing, die Reduktion enger Kontakte sowie die Minimierung des verbalen Austauschs mit diesen zentral, um das Virus nachhaltig in Schach zu halten.