Neue Forschung: Wie Gelähmte wieder gehen können
Aktuelle Erfolge von Schweizer Forschern geben Querschnittgelähmten Hoffnung: Neun Patienten in der Schweiz können mithilfe der sogenannten Rückenmarkstimulation wieder stehen und ein paar Schritte gehen. Dabei werden Elektroden ins Rückenmark implantiert, die kleine elektrische Impulse an Nervenbahnen abgeben. Die Impulse regen so die Nervenzellen im Rückenmark an, die wiederum die Skelettmuskeln aktivieren können.
Rasch erste Schritte
Das Verfahren ist nicht neu – bisher wurden weltweit rund 30 gelähmte Patienten auf diese Art behandelt. Bei Menschen, die nach einer Wirbelsäulenverletzung gelähmt sind, kann die Rückenmarkstimulation helfen, einen Teil ihrer motorischen Fähigkeiten in den Beinen wiederzuerlangen. Schon einen Tag nach Beginn der Therapie können viele der Patienten erste Schritte auf einem Laufband machen oder ihre Bewegungsfähigkeit innerhalb einiger Monate verbessern.
Bei den aktuell neun Personen in der Schweiz war dies ebenfalls der Fall: Sie konnten nach der Rückenmarkstimulation relativ schnell wieder stehen oder sogar einige Schritte gehen. Zwei der Teilnehmer können mit Rollatoren und implantierten Elektroden einen Schritt vor den nächsten setzen.
Diese Fähigkeit blieb bei einem Teil der Bewegungen sogar nach einem Stoppen der elektrischen Impulse aufrecht. Das zeigt: Manche Nervenzellen im Rückenmark können sich ändern und neu organisieren. Bisher war aber nicht klar, welche Zellen dies genau betrifft bzw. welcher Mechanismus im Detail zugrunde liegt.
3D-Karte der Nervenzellen
Tierversuche geben nun erstmals Antworten auf diese Frage. In der aktuellen Studie derselben Schweizer Forschergruppe, an der auch die MedUni Wien beteiligt ist und die im renommierten Fachjournal Nature veröffentlicht wurde, konnte bei gelähmten Mäusen eine dreidimensionale Karte der Rückenmarkszellen erstellt werden.
Es wurden jene Zellen identifiziert, die durch die Rückenmarksverletzung geschädigt waren und sich durch die Stimulation mit den Elektroden veränderten. So gelang es, die Nervenzelltypen einzuteilen und das Wiedererlangen der Bewegungsfähigkeit genauer als bisher zu beschreiben.
Bestimmte Nervenzellen – und zwar solche, die bei Menschen ohne Rückenmarksverletzungen nicht am Gehen beteiligt sind – scheinen demnach eine größere Rolle zu spielen als andere. Bei der Rückenmarkstimulation dürften sie sich neu organisieren und damit wesentlich sein, um Bewegungen wieder möglich zu machen.
Die neuen Erkenntnisse seien ein großer Schritt, auch wenn noch längst nicht alle Unklarheiten beseitigt sind und weitere Forschung notwendig sei, betonen die Forscher.