Wissen/Gesundheit

Hat die Impfung Einfluss auf den weiblichen Zyklus?

Die Berichte der Frauen sind vielfältig: Sie reichen von stärkeren Blutungen, früher oder später einsetzender bzw. ausbleibender Menstruation bis hin zu Blutungen trotz Wechsel.

Allen gemeinsam ist, dass die betroffenen Frauen einen Zusammenhang zu ihrer Covid-19-Impfung sehen.

Kate Clancy, eine medizinische Anthropologin der University of Illinois, startete eigens eine Umfrage, um Daten zu erheben. Zuvor hatte sie selbst auf Twitter von ihrer Erfahrung berichtet. Eine Woche nach ihrer ersten Dosis des Moderna-Impfstoffs hätte ihre Periode früher eingesetzt und sei deutlich stärker gewesen als sonst.

Nicht unter Nebenwirkungen

Zahlreiche Frauen reagierten mit ähnlichen Berichten auf ihren Tweet. Unter den Angaben zu Nebenwirkungen der Impfstoffhersteller scheinen Zyklusveränderungen nicht auf.

"Dass die Impfung den Zyklus beeinflussen würde, dazu gibt es bisher keine wissenschaftlichen Daten. Mir ist nicht bekannt, dass dieser Zusammenhang kausal wäre, aber wenn Millionen Menschen geimpft werden, treten immer auch Ereignisse auf, die zwar zeitlich nahe zur Impfung sind, aber nicht kausal dadurch bedingt", sagt René Wenzl, Gynäkologe an der Frauenklinik im AKH Wien.

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Stress als Auslöser?

Allerdings könne ein Zusammenhang mit Stress bestehen, wie auch eine kürzlich publizierte Studie nahelegt. "In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass es bei Frauen während der Covid-19-Pandemie zu einer verkürzten Blutung und längeren Blutungsabständen kam. Begründet wird das mit einer vermehrten Sorge und mit vermehrtem Stress aufgrund der Pandemie", berichtet Wenzl.

Allgemein zeigt sich, dass Nebenwirkungen nach der Impfung von Frauen häufiger berichtet werden als von Männern. Hier könnte der Zyklus einen Einfluss haben. Wenzl: "Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass Östrogen Schmerzreize stärker empfinden lässt und Testosteron diese verringert. Der zyklusabhängige Östrogenspiegel hat also Einfluss auf das subjektive Schmerzempfinden."

Blutung trotz Wechsel

Unter den Betroffenen sind auch Frauen, die obwohl sie bereits im Wechsel sind, von Blutungen erzählen. Bis zu einem gewissen Grad sei dies allerdings normal, meint Wenzl. "Bis zu zwei Jahre nach der letzten Regelblutung gelten Blutungen im Wechsel als tolerabel", sagt der Gynäkologe.

Auch Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien betont, dass es während der Phase der Menopause zu Blutungen kommen kann. Sie sieht ebenfalls keinerlei Grundlage dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der Impfung und Zyklusveränderungen gesehen wird. "Wir wissen, dass die Impfung keinen Einfluss auf die Reproduktion hat, es kommt etwa nicht zu Abgängen, auch wenn die Impfung in der Frühschwangerschaft erfolgt. Das belegt auch eine Publikation, die den Einfluss der mRNA-Impfungen auf In-vitro-Fertilisation untersuchte. Hier kam es zu überhaupt keiner Veränderung, auch die Spermienqualität der Männer war unverändert", sagt Kautzky-Willer.

Andere Beschwerden

Beschwerden, die mit der Impfung zusammenhängen, etwa allgemeines Unwohlsein, Fieber, Gliederschmerzen, seltener auch Magen-Darm-Beschwerden könnten aber von Frauen mit ihrer Menstruation in Zusammenhang gebracht werden, so Kautzky-Willer.

Die Nebenwirkungen der Impfung werden dann etwa als stärkere Menstruationsbeschwerden interpretiert.

Dass Frauen generell eher von Nebenwirkungen berichten als Männer lässt sich laut Kautzky-Willer damit erklären, dass sie tendenziell aufmerksamer gegenüber körperlichen Veränderungen sind. Auch das Sexualhormon Östrogen fördert eine starke Immunantwort.

"In der Vergangenheit hat sich zwischen Impfungen und Zyklusveränderungen kein Zusammenhang gezeigt. Wer aber vielleicht darauf wartet, dass die Impfung einen Einfluss hat und sich selbst sehr genau beobachtet, stellt möglicherweise einen Zusammenhang her, der eigentlich nicht kausal begründbar ist", so Kautzky-Willer.

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