Weltweit erste Studie mit Impfstoff gegen Lungenkrebs gestartet
Von Ernst Mauritz
Die Studie wird von vielen Spezialisten als "bahnbrechend" bezeichnet. In 34 Forschungszentren in sieben Ländern startete jetzt die erste Studie mit einem mRNA-Impfstoff der deutschen Firma Biontech gegen Lungenkrebs, berichtet die britische Tageszeitung The Guardian.
Weltweit ist Lungenkrebs die häufigste Krebstodesursache, an der jedes Jahr etwa 1,8 Millionen Menschen sterben. Davon kommen fast eine Viertelmillion Menschen - rund 230.700 - aus Ländern der Europäischen Union, was fast jedem fünften Krebstoten in der EU entspricht. In Österreich wurden im Jahr 2022 rund 5.200 Neuerkrankungen an Lungenkrebs diagnostiziert. Knapp 4.000 Menschen sterben jährlich in Österreich an Lungenkrebs.
Besonders schlecht sind die Überlebenschancen bei fortgeschrittenen Formen der Krankheit, bei denen die Tumore bereits gestreut haben.
Der neue Impfstoff BNT116 ist für die Behandlung des sogenannten nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC), der häufigsten Form der Krankheit, vorgesehen - und zwar bei Personen, die bereits erkrankt sind. Ein Wiederauftreten der Erkrankung soll damit verhindert werden.
Bei den sieben Ländern handelt es sich um Großbritannien, die USA, Deutschland, Ungarn, Polen, Spanien und die Türkei.
Insgesamt sollen 130 Patientinnen und Patienten in die Studie aufgenommen werden - von Patienten im Frühstadium vor einer Operation oder Strahlentherapie bis hin zu solchen im Spätstadium der Erkrankung oder mit wiederkehrendem Krebs.
Diese Impfstoffe enthalten den Bauplan für Oberflächeneiweiße der Krebszellen. Körperzellen sollen anhand des Bauplans diese für den Körper ungefährlichen Proteine produzieren - so, wie das auch bei den mRNA-Impfstoffen gegen das neue Coronavirus der Fall ist. Das Immunsystem wird auf diese Weise auf diese körperfremden Proteine aufmerksam gemacht und gegen sie aktiviert. Dadurch erkennt es dann aber auch diese Strukturen auf den Krebszellen besser als davor und wird so gegen diese "scharf" gestellt. Abwehrzellen können auf diese Weise die Krebszellen gezielt ins Visier nehmen.
Impfstoffe gegen Krebs als große Zukunftshoffnung
Ziel ist es, die Immunabwehr einer Person gegen Krebs zu stärken, während gesunde Zellen im Gegensatz zur Chemotherapie unbeeinträchtigt bleiben.
Der Impfstoff sei einfach zu verabreichen und man könne bestimmte Oberflächenstrukturen von Krebszellen auswählen, um diese dann gezielt anzugreifen. "Diese Technologie ist die nächste große Phase der Krebsbehandlung“, sagt der Onkologe Siow Ming Lee zur Zeitung The Guardian. Er leitet die Studie in Großbritannien.
Janusz Racz, 67, aus London, war der erste Mensch, der im Vereinigten Königreich geimpft wurde. Er erhielt im Mai seine Diagnose Lungenkrebs und begann bald darauf mit einer Chemo- und Strahlentherapie.
Racz erhielt dieser Tage sechs aufeinanderfolgende Injektionen im Abstand von jeweils fünf Minuten über einen Zeitraum von 30 Minuten. Jede Injektion enthielt unterschiedliche RNA-Stränge, also den Bauplan für ein jeweils anderes Oberflächenmerkmal der Krebszellen. Sechs Wochen hindurch wird er jede Woche sechs Injektionen verabreicht bekommen, danach 54 Wochen lang alle drei Wochen.
Onkologe Lee: „Wir hoffen, dass diese zusätzliche Behandlung das Wiederauftreten des Krebses verhindert, denn häufig kommt der Krebs bei Lungenkrebspatienten selbst nach einer Operation und Bestrahlung zurück.“
Mit den bereits verfügbaren, ebenfalls relativ neuen Immuntherapien kann bei rund 20 bis 30 Prozent der Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium die Überlebensdauer deutlich verlängert werden. "Jetzt hoffen wir, dass mit diesem mRNA-Impfstoff zusätzlich zur Immuntherapie die Überlebensrate weiter verbessert werden kann" , sagt Onkologe Lee.
Janusz Racz hat jedenfalls noch ein großes Ziel vor Augen: Nach dem Abschluss seiner Therapie möchte er wieder so wie früher joggen und dabei sein läuferisches Lebensziel verwirklichen: Einmal den London Marathon zu absolvieren.