Ivermectin: Falschmeldung befeuert Impfkritiker
Es ist ein Fehler, der weite Kreise zieht: Die Nachrichtenagentur Reuters vermeldete am Montag, dass das vieldiskutierte Medikament Ivermectin eine antivirale Wirkung gegen Omikron und andere Virusvarianten gezeigt hätte. In der ursprünglichen Meldung wurde fälschlich angegeben, dass Ivermectin in klinischen Phase-III-Studien mit Menschen "wirksam" gegen Omikron gewesen wäre. Das hätte das japanische Pharmaunternehmen Kowa bekannt gegeben, nachdem es das Mittel gemeinsam mit der Universität Tokio untersucht habe.
Später musste die Nachrichtenagentur korrigieren. Tatsächlich wurde keine Wirksamkeit gegen Covid-19 bei Menschen in der Studie festgestellt.
Vielmehr hatte das japanische Unternehmen in einer Presseaussendung veröffentlicht, dass ein zuvor gefundener Effekt von Ivermectin in Laborversuchen auch auf Omikron übertragbar sei. Das heißt allerdings noch nicht, dass dies auch für Menschen gilt.
Viele potenzielle Covid-19-Behandlungen, die in Reagenzgläsern vielversprechend wirkten, zeigten letztlich keinen Nutzen für Covid-19-Patientinnen und -Patienten in klinischen Studien unter realen Bedingungen außerhalb eines Labors. Dazu zählt etwa das vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump beworbene Malariamittel Hydroxychloroquin.
Teilweise ausverkauft
Die Falschmeldung verbreitete sich allerdings wie ein Lauffeuer. Bereits seit Längerem wird Ivermectin, insbesondere von Impfkritikern, immer wieder als vermeintliches Wundermittel gegen Covid-19 gehandelt. Die Nachfrage nach dem rezeptpflichtigen Medikament stieg auch in Österreich deutlich an, teilweise war es in Apotheken ausverkauft.
Einen wissenschaftlichen Nachweis darüber, dass das Medikament bei einer Infektion hilft, gibt es – trotz mehrerer Untersuchungen dazu – bisher nicht. Vielmehr gibt es sogar Warnungen davor, Ivermectin gegen seine eigentliche Zulassung einzunehmen. Selbst der herstellende Pharmakonzern Merck, der eigentlich vom Verkauf des Mittels profitiert, veröffentlichte eine Stellungnahme, in der betont wird, dass es keine aussagekräftigen Beweise für eine therapeutische Wirkung von Ivermectin gegen Covid-19 gibt.
Der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding postete auf Twitter: "Übelst verpfuscht. Die neue Ivermectin-Studie hat **NICHT** gezeigt, dass es beim Menschen wirksam ist. Reuters hat vorschnell eine Pressemitteilung falsch gelesen, die nur auf Omikron *Laborergebnissen* basierte, aber verwirrt, weil sie dachten, es ginge um Menschen. Aber die alte Reuters-Schlagzeile steht jetzt überall auf rechten Webseiten."
Dosis für Pferde
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA prüfte etwa Erkenntnisse aus zahlreichen Studien und kam zu dem Schluss, dass "die vorliegenden Daten die Verwendung von Ivermectin zur Behandlung von Covid-19 außerhalb klinischer Studien nicht unterstützen", heißt es auf der Website des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG).
In einzelnen, kleinen Studien wurden zwar Effekte gefunden. Allerdings bräuchte es für die antiviralen Effekte Dosierungen, die zu starken Nebenwirkungen führen können. Auch in Österreich kam es bereits zu Vergiftungen mit Ivermectin, da Menschen das Mittel in zu hohen Dosen, nämlich jener für Pferde, einnahmen.
Das Mittel wird zwar in niedrigeren Dosen auch beim Menschen eingesetzt, etwa bei Krätze und anderen Parasitenerkrankungen. Sein Haupteinsatz ist allerdings zur Entwurmung von Pferden, Kühen und einer Vielzahl anderer Tiere.