Forschung zu Ayahuasca: Was der halluzinogene Trunk im Hirn bewirkt
Gewaltige Halluzinationen, lebensverändernde Einsichten, befreiende Reisen in andere Realitäten – oder zu den intimsten emotionalen Erinnerungen: In Südamerika nutzen Schamanen Ayahuasca seit Jahrhunderten für medizinische und rituelle Zwecke. In jüngster Vergangenheit wird das therapeutische Potenzial des berauschenden Suds bei psychischen Leiden erforscht.
Verantwortlich für die bewusstseinserweiternde Wirkung des Tees ist Dimethyltryptamin. Enthalten ist die halluzinogen wirkende Substanz in den Blättern des Kaffeestrauchgewächses Psychotria viridis. Diese werden zusammen mit Banisteriopsis caapi, einer riesigen Lianenheilpflanze des Amazonas, zerstampft und zu einem Trunk aufgegossen.
Forschende haben nun im Detail untersucht, was Dimethyltryptamin im Hirn bewirkt.
Hypervernetztes Hirn
Die Aufzeichnungen zeigen tiefgreifende Vernetzungseffekte im gesamten Gehirn – insbesondere in Bereichen, die bei komplexeren kognitiven Aufgaben, etwa der Handlungsplanung, der Sprache, der Entscheidungsfindung oder der Imagination, eine zentrale Rolle spielen. Es scheint zu einer Art Hypervernetzung zwischen verschiedenen Hirnregionen zu kommen.
"In der Dosierung, die wir verwenden, ist es (Dimethyltryptamin, Anm.) unglaublich potent", sagt Robin Carhart-Harris, Psychiater und Neurowissenschafter an der University of California, San Francisco, gegenüber dem Guardian. "Die Menschen beschreiben, dass sie unsere Welt verlassen und in eine andere eindringen, die unglaublich fesselnd und komplex ist – und manchmal von anderen Wesen bevölkert wird, von denen sie den Eindruck haben, dass sie eine besondere, gottgleiche Macht über sie haben."
Heilsames Chaos
Man habe beobachten können, dass Dimethyltryptamin die neuronalen Netzwerke des Denkorgans in ihrer Ordnung beeinflusst und die rhythmische Aktivität des Gehirns "chaotischer und informationsreicher" gestaltet. Das Gehirn schalte in seiner Funktionsweise "auf etwas ganz und gar Anarchisches um", wird Carhart-Harris zitiert.
Für die Studie rekrutierte Chris Timmermann, Leiter einer Dimethyltryptamin-Forschungsgruppe am Imperial College London, 20 gesunde Freiwillige, die bei mehrmaligen Besuchen im Labor eine 20-Milligramm-Injektion Dimethyltryptamin und ein Placebo erhielten. Alle Probandinnen und Probanden wurden vorab untersucht, um sicherzustellen, dass sie körperlich und psychisch für die Studie geeignet waren.
Mithilfe der Elektroenzephalografie und funktionelle Magnetresonanztomografie zeichneten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter die Gehirnaktivität der Teilnehmenden vor, während und nach Einsetzen der Wirkung der Droge auf. Die Probanden gaben während der 20-minütigen Sessions immer wieder Auskunft darüber, wie intensiv sich das halluzinogene Erleben anfühlte.
Neue Ordnung
Die Ergebnisse, die nun in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurden, liefern modernste Bilder des menschlichen Gehirns unter dem Einfluss von Psychedelika. Sie zeigen, wie die normale hierarchische Organisation des Gehirns zusammenbricht und die neuronale Verbindung zwischen den Hirnregionen ansteigt. "Je intensiver die Erfahrung war, desto stärker waren diese Hirnregionen miteinander verbunden", erklärt Timmermann.
Die Erkenntnisse untermauern die bisherige Annahme, dass Psychedelika (neben Tests mit Dimethyltryptamin boomt auch die Erforschung von Drogen wie LSD, MDMA oder halluzinogenen Pilzen zur Behandlung von Depressionen, Ängsten und Süchten) das Hirn – zumindest kurzfristig – dazu befähigen kann, Informationen anders zu verarbeiten.
Eingefahrene Denkmuster könnten so dauerhaft abgelegt, neuen Handlungsspielräume eröffnet und Wege aus negativen Gedankenspiralen geebnet werden.