Wissen/Gesundheit

Coronavirus: Wie weit die Forschung an Medikamenten ist

Ein breit verfügbarer Impfstoff ist so rasch nicht zu erwarten. Deshalb liegt umso mehr Augenmerk auch auf der Medikamentenentwicklung: Mehr als 130 Wirkstoffe werden weltweit gegen Covid-19 untersucht, hat das „Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich“ (FOPI) erhoben .Die Hälfte ist für andere Krankheiten entwickelt worden, die andere Hälfte sind Neuentwicklungen.

„Bis jetzt hat sich kein Medikament herauskristallisiert, das zu übertriebener Hoffnung Anlass geben würde“, sagt Günther Weiss, Direktor des „Department Innere Medizin“ der MedUni Innsbruck. Dennoch gibt es Fortschritte: „Wir haben in den vergangenen Monaten gelernt, dass schwere Infektionen mit dem neuen Coronavirus in zwei Phasen verlaufen: Einer ersten milderen, in der wahrscheinlich antivirale Medikamente am Besten wirken.“ Und einer zweiten Phase der überschießenden Immunantwort, wo es darum geht, die Abwehrreaktionen so zu begrenzen, dass diese nicht noch mehr Schaden anrichten als die Viren selbst.

„Die Herausforderung ist, herauszufinden, wer ein hohes Risiko für einen schwere Krankheitsverlauf hat und dann die antiviralen Medikamente rechtzeitig einzusetzen.“ Diese blockieren die Vermehrung der Viren und verhindern ihr Eindringen in Körperzellen. Die bekanntesten Substanzen sind:

– Remdesivir: Nach bisherigen Daten kann der von Gilead gegen Ebola entwickelte Wirkstoff die Krankheitsdauer im Schnitt um vier Tage verkürzen. Die USA erteilten eine Ausnahmegenehmigung für einen begrenzten Einsatz in Krankenhäusern. Eine für Ende Mai in Europa erwartete beschränkte Zulassung verzögert sich. Weiss betont, dass Studien bisher zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind und weitere Ergebnisse abgewartet werden müssen: „Ich erwarte mir keine Wunderdinge, aber es gibt immer Überraschungen in der Medizin.“

– Hydroxychloroquin: Eine Studie, wonach das Mittel die Sterblichkeit erhöhen konnte, wurde vom Fachmagazin The Lancet zurückgezogen – es gibt erhebliche Zweifel an der Seriosität jener US-Firma, die die Patientendaten gesammelt und als Dienstleister bereitgestellt gestellt hat. „Wichtig ist, dass die zwischenzeitlich unterbrochenen Studien abgeschlossen werden“, sagt Weiss. „Vielleicht gibt es eine bestimmte Patientengruppe, die von Hydroxychloroquin profitiert, aber das wissen wir noch nicht.“ Der „große Überflieger“ scheine die Substanz aber nicht zu sein.

– APN01: Noch nicht abgeschlossen ist auch die Studie mit diesem Wirkstoff der Apeiron Biologics AG, der vom österreichischen Genetiker Josef Penninger mitentwickelt wurde. Er soll verhindern, dass das Virus in Zellen eindringt. Und er soll vor Lungenversagen schützen. „Das ist ein interessante Substanz – aber die entscheidende Frage ist: Wie vielen Menschen wird damit geholfen? Und das können wir erst – so wie bei den anderen Wirkstoffen auch – mit großen Studien klären.“

– Solnatide: Gegen heftige Entzündungsreaktionen bei sehr schwer erkrankten Patienten wird u. a. dieser Wirkstoff des Wiener Biotechunternehmens Apeptico eingesetzt. Er soll bei akutem Lungenversagen (ARDS) die Dichtheit von Membranen im Lungengewebe wiederherstellen und so die Sauerstoffversorgung verbessern.

Ebenfalls gegen durch Covid-19 verursachte Undichtigkeiten in den Blutgefäßen soll die im Wiener AKH / MedUni Wien entdeckte Substanz FX06 von F4 Pharma eingesetzt werden.

Bei schweren Infektionen kann das System der Blutgerinnung übermäßig stark aktiviert sein, dadurch steigt das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln. Gegen diese Komplikationen werden eine Reihe zugelassener Herz-Kreislauf-Medikamente erprobt.

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