Corona-Pillen Paxlovid: Warum die Sorge vor resistenten Viren wächst
Das oral einzunehmende Medikament Paxlovid ist ein zentraler Bestandteil in der Bekämpfung der Corona-Pandemie: Es wird Erwachsenen mit Covid-19 verschrieben, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, aber keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Laborstudien zeigen, dass es bisher gegen alle neuen Omikron-Subvarianten wirksam ist - ganz im Gegensatz zu monoklonalen Antikörpern, die als Infusionen verabreicht werden. Doch international wächst die Sorge vor der Entwicklung von Resistenzen.
Paxlovid gegen Omikron-Subvarianten wirksam
Die Studien mit Paxlovid wurden alle auf der Basis von Daten mit der Delta-Variante des Coronavirus durchgeführt heißt es in einer neuen Studie von US-amerikanischen und italienischen Autoren. Labordaten zeigen allerdings genauso wie Untersuchungen nach der Zulassung, dass bisher die Wirksamkeit des Medikaments auch gegen alle Omikron-Subvarianten erhalten geblieben ist. Allerdings ergaben Analysen von zahlreichen Virusgenomen auch, dass Mutationen, die eine Resistenz gegen Paxlovid erzeugen können, zunehmen.
Diese Erkenntnis sei besonders im Hinblick der Verabreichung von Paxlovid an Menschen mit stark geschwächtem bzw. medikamentös unterdrücktem Immunsystem besorgniserregend: Denn diese habe eine deutlich verringerte Abwehrkapazität und ihr Immunsystem braucht deutlich länger, eine Infektion zu überwinden. Es gibt bereits dokumentierte Fälle, wo sich zeigte, dass dadurch die Viren ausreichend Zeit haben, unempfindlich gegen Therapien zu werden. Deshalb sollte derartige Patienten wenn möglich mit mehreren Wirkstoffen behandelt werden und vor allem die Entwicklung neuer Medikamente zügig vorangetrieben werden.
Neues Modell der MedUni Innsbruck
International führend bei der Beobachtung der Entwicklung solcher Resistenzen ist die MedUni Innsbruck. Forscherinnen und Forscher um die Virologin Dorothee von Laer und ihrem Doktoranden Emmanuel Heilmann vom Institut für Virologie haben ein ungefährliches und einfach umsetzbares Modell entwickelt, das es ermöglich, Virusresistenzen vorherzusagen.
Denn mit dem Coronavirus zu hantieren, wäre in diesem Fall zu gefährlich. "Selbst im Hochsicherheitslabor wäre es aus ethischen und sicherheitstechnischen Gründen bedenklich, so genannte Gain-of-Function-Experimente durchzuführen. Wenn man einem Organismus etwas Neues beibringt (engl. gain of function, Anm.), in unserem Fall eine Resistenz, dann existieren folglich Viren, die resistent sind. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber es besteht das Risiko, dass diese neuen, gefährlichen Viren aus dem Labor auskommen könnten", erklärt Heilmann den Hintergrund für die Entwicklung des neuen Untersuchungsmodells.
"Paxlovid ist ein sehr wirksames Mittel"
Paxlovid hemmt ein Enzym des Virus mit dem Namen Protease. Heilmann hat ein System erarbeitet, um die Resistenzentwicklung gegen Proteasehemmer wie Paxlovid mithilfe eines sicheren und ungefährlichen Ersatzvirus zu beoachten. Er baute die Protease von SARS-CoV-2 in das "Vesikuläre Stomatitis Virus (VSV)" ein, das vor allem bei Pferden und Rindern Erkrankungen ähnlich der Maul- und Klauenseuche verursacht. Mit dem neu entstandenen, harmlosen Ersatzvirus können die Forscherinnen und Forscher in der Zellkultur nun verschiedene Szenarien der Virusentwicklung bei Paxlovid-Verabreichung untersuchen.
In der vorliegenden Arbeit, die im Fachjournal Science Translational Medicine erschienen ist, ist es dem Innsbrucker Team gelungen, eine ganze Reihe von Mutationen zu identifizieren, die künftig zu Resistenzen führen könnten. Laut von Laer sei dies in absehbarer Zeit jedoch unwahrscheinlich. "Paxlovid ist ein sehr wirksames Mittel, das 90 Prozent der Krankenhauseinweisungen verhindern kann. Es wird nur Hochrisikopatientinnen und -patienten verabreicht und nur für die Dauer von in der Regel fünf Tagen. Wichtig ist aber, dass es sofort bei den ersten Beschwerden einer Coronainfektion gegeben wird", sagt die Virologin. Die Studie sorgt auch international für Aufsehen:
Warum die Vorhersage von Resistenzen nützlich ist
Modelle zur Vorhersage von Resistenzen sind in dreierlei Hinsicht von großem Nutzen: Die Ergebnisse des Mutationsmodells können herangezogen werden, um mit globalen Virus-Datenbanken abzugleichen, ob die im Labor festgestellte Mutation bereits irgendwo real auf der Welt kursiert oder nicht. Das System kann klinisch genutzt werden, um die Wirksamkeit vorhandener Proteasehemmer zu testen und das geeignete Medikament für die jeweiligen Patientinnen und Patienten auszuwählen. Zudem dienen Resistenz-Vorhersagemodelle auch den Pharmaunternehmen beim Design neuer Wirkstoffe, um bereits bekannten Resistenzproblemen auszuweichen.
"Ein Modell wie dieses, mit dem man unter relativ sicheren Bedingungen Resistenzuntersuchungen machen kann, gab es zum Coronavirus bisher noch nicht", sagt von Laer. Neben der einfachen Handhabung seien dessen breite Anwendungsmöglichkeiten ein großer Vorteil. „Es ist im Prinzip für alle Medikamente verwendbar, die gegen virale Proteasen eingesetzt werden, um Resistenzen zu identifizieren und neue Mutationen zu finden.“ So möchte Heilmann das Prinzip künftig beispielsweise auch auf MERS-Coronavirus anwenden.
Paxlovid: Einnahme über fünf Tage hindurch
Paxlovid besteht aus zwei Wirkstoffen: Nirmatrelvir und Ritonavir. Nirmatrelvir sorgt dafür, dass Coronaviren im Körper sich nicht mehr so gut vermehren können. Ritonavir ist ein Hilfs-Wirkstoff: Er sorgt dafür, dass Nirmatrelvir nicht so schnell wieder abgebaut wird und länger im Körper bleibt.
Paxlovid kann dem Körper helfen, eine Infektion mit Coronaviren zu überwinden. Bei rechtzeitiger Behandlung soll so eine schwere Erkrankung verhindert werden. Dafür sollte das Mittel innerhalb der ersten fünf Tage nach Auftreten der Beschwerden eingesetzt werden.
Paxlovid wird zweimal pro Tag als Tabletten eingenommen. Eine Dosis besteht aus zwei Tabletten Nirmatrelvir und einer Tablette Ritonavir. Die Behandlung dauert fünf Tage.