Antigen-Spucktests: Warum ein Experte noch zur Vorsicht rät
Von Ernst Mauritz
„Die Coronavirus Antigen-Spucktests gehen weg wie die warmen Semmeln“, sagt die Apothekerin Simone Forjan von der Floridus-Apotheke in Wien-Floridsdorf.. Seit einigen Tagen sind sie laut Importeur in 150 bis 200 Apotheken erhältlich: Man soll tiefes Rachensekret heraufhusten und in einen Beutel spucken. Vermengt mit einer Pufferlösung werden dann einige Tropfen auf die Testkassette aufgebracht.
"Ich halte es für problematisch, wenn man versucht, einen herkömmlichen Nasen-Rachen-Abstrich an sich selbst durchzuführen oder auch als medizinischer Laie an einer anderen Person. Da braucht man wirklich Übung und Erfahrung", betont Forjan. Demgegenüber seien diese nicht-invasiven Spucktests eine tolle Sache: "Das geht so einfach wie ein Schwangerschaftstest. Die Kunden sind sehr zufrieden.Wir haben praktisch nur positive Rückmeldungen."
Was die Genauigkeit betrifft, müssen sich aber Apotheker wie Kunden auf die Angaben des Herstellers verlassen und diesen vertrauen. Eine unabhängige Überprüfung gibt es nämlich noch nicht. Auf der Packung steht, dass die Sensitivität 95 Prozent und die Spezifität 100 Prozent beträgt. Das bedeutet: Von 100 Kranken werden 95 als tatsächlich krank erkannt (und fünf als gesund - diese sind dann falsch negativ). Und von 100 Gesunden werden 100 als gesund erkannt. Das sind aber eben Angaben der Firma, die nicht von einer unabhängigen Stelle begutachtet wurden.
"Unabhängige Untersuchungen fehlen noch"
Labormediziner Gregor Hörmann von der Österreichischen Gesellschaft für Labormedizin: „Ich sage nicht, dass solche Tests schlecht sind, aber es fehlt noch die Erfahrung. Deshalb wäre ich bei einem negativen Testergebnis vorsichtig. Die Datenlage ist noch sehr dünn, unabhängige externe Untersuchungen der Qualität fehlen noch. Bei den Tests mit Nasen-Rachenabstrich haben wir schon viel mehr Daten.“ So gibt es bereits von mehreren Antigen-Schnelltests mit Nasen-Rachenabstrich unabhängige Studienergebnisse renommierter Universitätskliniken. "Eine abschließende Beurteilung dieser Spucktests ist hingegen noch nicht möglich."
Externe Überprüfungen geplant
Dazu Roman Bauer vom Handelsunternehmen Medical United, das den Test des chinesischen Herstellers Joinstar importiert: „Es gibt umfangreiche Studiendaten aus Asien, externe Überprüfungen sind bereits im Gange bzw. geplant.“ Publiziert sind die Daten aus Asien nicht. Bauer erklärt, dass das Produkt ganz neu sei: "Wir sind noch nicht so weit wie Hersteller anderer Antigen-Tests."
Hörmann betont, dass aus den verfügbaren Angaben im Beipacktext nicht ersichtlich ist, an welchen Patienten die Genauigkeit des Tests geprüft wurde: "Ich weiß zum Beispiel nicht, wie hoch die Virenmenge dieser Testpersonen war. Das ist aber eine Grundvoraussetzung, um die Sensitivität des Tests beurteilen zu können." Fazit: "Wir wissen einfach noch zu wenig."
Anwendung offiziell nur unter Aufsicht
In der Apothekerkammer betont man, dass der Test zwar frei an alle Kunden verkauft wird, er aber offiziell nur für die Anwendung im Beisein von Gesundheitspersonal zugelassen ist. Johann Baumgartner von der Apothekerkammer: "Für die Eigenanwendung durch Laien ohne Anwesenheit von Gesundheitspersonal ist er nicht zugelassen."
Laut Gregor Hörmann ist es derzeit noch generell so in der EU, dass derartige Corona-Tests auf den Markt kommen können, ohne dass sie zuvor von einer unabhängigen Prüfstelle validiert werden müssen. Die CE-Kennzeichnung bedeute nur, dass der Hersteller bestätigt, dass das Produkt den gesetzlichen Bestimmungen der EU entspricht - anhand seiner eigenen Angaben. Hörmann: "Erst ab 2022 müssen solche Tests von einer externen unabhängigen Stelle überprüft werden, ehe sie auf den Markt kommen dürfen."