Schreibkraft: Vom Faustkeil zum "Kuli"
Von Cordula Puchwein
Behutsam stellt Claudia Peschel-Wacha ihre Schätze auf den Tisch: wunderschöne Schreibzeuge, wie sie bis ins 19. Jahrhundert benutzt wurden. Salopp auch als "Tintengeschirr“ bezeichnet, sind sie eine Kombination aus einem kastenförmigen Behälter mit Öffnungen für Tintenfass und Streusandgefäß. "Viele Schreibzeuge haben zudem eine vorgezogene Ablage zum Verwahren der Utensilien wie Schreibfedern - meist Gänsefedern - und dem Federmesser. Das wiederum diente zum Zuspitzen der Federn.
Als Letztes gesellte sich der Streusandbehälter hinzu. So fügten sich die Einzelteile im 16. Jahrhundert allmählich zu einem Ensemble“, sagt Claudia Peschel-Wacha.
Die Historikerin des Volkskundemuseums hat über viele Jahre die hauseigenen Bestände keramischer Schreibzeuge aufgearbeitet - in den Bestand des Museums gekommen zwischen 1895 und 1951. Heute lagern gut 100 solcher Tintenzeuge unterschiedlichster Zeit, Herkunft und Machart im Archiv. Als Material dienten Speckstein, Messing, Keramik, auch Porzellan und Silber. Letztere waren Adeligen und reichen Bürgern vorbehalten. Peschel-Wacha: "Die Provenienz der ältesten Stücke, manche datieren bis ins 16. Jahrhundert, liegt im Westen Österreichs und sind vielfach grün glasierte Schreibzeuge aus Tirol, produziert in hiesiegen Hafnerwerkstätten.“
Interessant sind Schreibzeuge nicht nur, weil sie Handwerksgeschichte abbilden, sondern auch, weil sie eine Revolution in der Schreibkultur darstellen. "Zuvor diente vorwiegend Horn von Tieren als Tintenbehältnis. Schreiber hielten es bei der Arbeit, damals noch an einem schrägen Pult, in der einen Hand, während sie mit der anderen die Feder führten und diese in die Tinte tauchten.“ Diese umständliche Art änderte sich zu Beginn der Neuzeit mit der Entwicklung neuer Schreibunterlagen. Aus dem schrägen Pult wurde ein mobiles Möbel mit flacher Fläche, also ein Schreibtisch, "wo Gefäße, wie die Schreibzeuge, eben und damit sicher abgestellt werden konnten.“
Geschichte geschrieben
Schon etliche Jahrtausende vor Christus ritzten Menschen mit dem Faustkeil Motive und Zeichen in Stein. Später dienten den Ägyptern dünne Binsen zum Beschreiben von Papyrus. Wichtigstes Schreibgerät aber blieb vom alten Rom an bis in die Neuzeit der Federkiel, den man in Tinte tauchte. Dabei handelte es sich um eine starke Gänsefeder, die man anschnitt. Hand in Hand damit ging eine gewaltige Federkielindustrie. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden im deutschsprachigen Raum pro Jahr sage und schreibe 50 Millionen Kiele verbraucht. Claudia Peschel-Wacha: „Mit dem steigenden Schreibvermögen der Bevölkerung stieg auch der Bedarf an Schreibfedern, Verbesserungen wurden notwendig. Um 1700 gab es erste Versuche mit Stahlfedern, die sich im 19. Jahrhundert zum ausgereiften Schreibinstrument entwickelten.“
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden im deutschsprachigen Raum pro Jahr 50 Millionen Kiele verbraucht."
Historikerin
Das Ende blauer Finger
Das Problem blieb die Tinte, die extra in Behältern aufbewahrt wurde und in der praktischen Handhabung immer wieder zu Tintenklecksen führte. Diese Unsauberkeit löste 1884 L. E. Waterman, indem er zwischen Tank und Feder einer Füllfeder einen speziellen Tintenleiter einbaute. Dadurch rann nur so viel Tinte aus dem Tank, wie gerade verbraucht wurde. Eine kluge Erfindung, die das Ende blauer Finger und den Beginn eines komfortablen Schreibgefühls einleitete.
Dass nebstbei auch der Bleistift perfektioniert wurde, indem er in Holz gefasst und mit Härtegraden versehen wurde, ist eine weitere Facette der Schreibgerätegeschichte. Letztere war übrigens mit eine Erfindung des Österreichers Josef Hardmuth. Um 1794 mischte er Ton zu Grafit und erzielte so verschiedene Härtegrade. 1839 verbesserte Lothar von Faber das Grafit-Ton-Mischverfahren deutlich weiter.
Hardmuth, Faber, Parker, Staedtler, Waterman – alles Persönlichkeiten, die die Schreibkultur vorangetrieben haben.
Auch der Name Lászlo Biró darf in der Aufzählung nicht fehlen. Der Ungar meldete 1943 den Kugelschreiber zum Patent an. Indem Biró die Feder durch eine Metallkugel ersetzte, gelangte eine Art Tintenpaste geschmeidig und sauber auf das Papier – ganz ohne Kleckse.