Wie sich AMS-Chef Kopf die niedrige Arbeitslosenquote erklärt
Von Caroline Ferstl
AMS-Vorstand Johannes Kopf äußerte sich am Mittwochabend in der ZiB2 zu den aktuellen Verhältnissen am Arbeitsmarkt und der Situation der Geflüchteten aus der Ukraine.
Trotz des schwachen Wirtschaftswachstums und der hohen Inflation sei der Arbeitsmarkt stabil. Kopf erklärt sich das folgendermaßen: "Im August waren es 38.000, im September 32.000, aktuell sind es 22.000 weniger Arbeitslose als zum jeweiligen Zeitpunkt vor einem Jahr. Die Firmen wissen einfach, dass es weniger Fachkräfte am Arbeitsmarkt gibt, sie sind vorsichtig bei den Freisetzungen."
Auch, weil vor einem Jahr abermals ein coronabedingter Lockdown in Österreich herrschte, ist die Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich wesentlich niedriger.
Prognosen seien schwierig – Kopf rechnet damit, dass sich das im Laufe des ersten Quartals 2023 ändern werde: "Da werden wir das erste Mal steigende Zahlen erleben. Viele Branchen fürchten, dass ein Gewitter aufzieht. Andererseits leiden viele Betriebe unter Arbeitskräftemangel", so Kopf.
Vollzeit statt Teilzeit
Es fehle an Qualifizierten und Unqualifizierten. Derzeit gebe es mehr als 120.000 offene Stellen, vor der Krise seien es 80.000 gewesen. Das habe auch mit der Demografie der Erwerbstätigen zu tun, so Kopf: "Der Mangel ist ernst und schwächt die Wirtschaft."
Was es dagegen brauche, so Kopf, seien Anreize, um vor allem Frauen von Teilzeit- in Vollzeitanstellungen zu bekommen: "Viele Frauen wollen mehr arbeiten, können aufgrund der Kinderbetreuung allerdings nicht." Kopf plädiert für flächendeckende Ganztagesbetreuungseinrichtungen für Kinder.
Zweiter Lösungsansatz sei das vorherrschende Pensionsalter in Österreich: "In Österreich gehen wir im Schnitt zwei bis drei Jahre früher in Pension als in Deutschland. Das ändert sich ab 2024: Dann steigt das Pensionsalter von Frauen jedes Jahr um ein halbes Jahr bis zu 65 Jahre, und das wird jedes Jahr 20.000 mehr Frauen am Arbeitsmarkt halten."
Freier Arbeitsmarktzugang für Ukrainer
Angesichts der Vielzahl an Geflüchteten aus der Ukraine, die sich noch nicht beim AMS gemeldet hätten, macht sich Kopf Sorgen: "In Österreich leben derzeit etwa 40.000 bis 45.000 arbeitsfähige Ukrainerinnen und Ukrainer. Bloß 7.000 davon sind in einem Beschäftigungsverhältnis, 8.000 sind beim AMS gemeldet. Am Anfang war das noch in Ordnung, da wusste man nicht, wie lange diese Menschen bleiben würden. Doch wenn Kiew jetzt dazu aufruft, den Winter über im Ausland zu bleiben, plädiere ich: Kommen Sie zum AMS. Planen Sie eine Zukunft hier. Lernen Sie Deutsch. Versuchen Sie, einen Job zu finden."
Die Erhöhung der Zuverdienstgrenze neben der Grundversorgung auf 400 Euro bewertet Kopf als positiv, betont jedoch, dass man gleichzeitig diese Menschen mit dem AMS zusammenbringen müsse – und es einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt brauche: "Kooperation und Partizipation am Arbeitsmarkt" seien wichtig für eine gelungene Integration.