Wirtschaft

Pfusch im Lockdown: Schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen

Das im Vorjahr wegen der Corona-Krise stark gestiegene Pfusch-Volumen in Österreich ist heuer nicht mehr so stark weitergewachsen, dürfte aber den BIP-Anstieg übertreffen, schätzt der Linzer Ökonom Friedrich Schneider. Nach einem Plus im zweistelligen Prozentbereich im Jahr 2020 wird der Pfusch heuer wohl um 3,2 Prozent auf 27,8 Mrd. Euro zulegen, was 7,1 Prozent des prognostizierten BIP wären. Die Wirtschaftsleistung dürfte um 2,7 bis 3,0 Prozent wachsen, schätzt Schneider.

2020 war die Schattenwirtschaft vermutlich um 12,0 Prozent auf 26,9 Mrd. Euro geklettert, das waren 7,2 Prozent des offiziellen BIP und der höchste Pfusch-Anstieg seit 20 Jahren. Ursprünglich hatte Schneider für 2021 mit nur 1,1 Prozent Zuwachs beim Pfusch und einem BIP-Anteil von 6,9 Prozent gerechnet.

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Die heuer vermutlich 7,1 Prozent des BIP stellen freilich den besten Wert in der gesamten EU dar. Nur die Niederlande und Luxemburg kommen mit 7,8 bzw. 8,4 Prozent unserem Land recht nahe. Schlusslichter sind Bulgarien mit 32 sowie Kroatien und Rumänien mit je 29 Prozent, der EU-Schnitt beträgt 17,4 Prozent.

Gemessen am BIP doch höher fällt die Schattenwirtschaft heuer in Österreich laut Schneider einerseits durch die wieder erstarkte Pandemie im Herbst mit dem damit verbundenen Lockdown aus, wodurch der begonnene Aufschwung dieses Jahr beeinträchtigt wird - wie stark, das sei aber schwer abschätzbar.

Andererseits wachse der Pfusch auch deshalb, weil viele von der Pandemie Betroffene zumindest einen Teil der Einkommensverluste durch eigenes Schwarzarbeiten oder pfuschen lassen ausgleichen würden. So diene die Schattenwirtschaft als Puffer für sonst noch wesentlich höhere Einkommensverluste, so Schneider zur APA. Auch die Bevölkerung geht von "deutlich" oder "etwas mehr" Pfusch durch die Corona-Krise aus, laut Market-Befragung im November sahen das 59 Prozent so, vor allem Jüngere.

Unrechtsbewusstsein zum Pfusch gibt es kaum, fast zwei Drittel der Bevölkerung - 62 Prozent - zeigen sich da kulant. Auch selbst einer Schwarzarbeit nachzugehen stößt vielfach auf Verständnis: Für fast ein Drittel (32 Prozent) der Bevölkerung ist dies durchaus Okay. 64 Prozent bejahen, dass vieles erst durch Pfusch leistbar wird. Und der Staat sei selbst schuld, wenn viele wegen der hohen Steuerbelastung Schwarzarbeit nutzen würden (43 Prozent). Nur 5 Prozent finden, dass man Pfusch anzeigen sollte, und nur 2 Prozent gaben an, Pfuscher selbst auch tatsächlich anzuzeigen.

Auf der Verliererseite: Der Staat

Größter Verlierer beim Pfusch ist der Staat, dem hauptsächlich Sozialversicherungsbeiträge entgehen. Die Ausfälle bei Steuern und SV-Beiträgen taxiert Schneider mit 2,0 bis 3,5 Mrd. Euro im Jahr, wobei sich die Steuerverluste in Grenzen hielten, da das schwarz verdiente Geld gleich wieder in die offizielle Wirtschaft fließe. Auch Krankenversicherungen seien durch erhöhte Kosten durch zusätzliche Unfälle betroffen.

66 Prozent der Wertschöpfung komme von "Pfuschern", die selbstständig oder unselbstständig in einem offiziellen Job beschäftigt sind und dort die volle Steuer- und Abgabenlast tragen - und nur die "schwarzen" Mehrstunden nicht versteuern. 16 Prozent der Wertschöpfung des Pfusches gehe auf organisierte Kriminalität (Prostitution, Bau) zurück, 17 Prozent auf Arbeitslose und Frühpensionisten.

40 Prozent der Pfuschtätigkeiten seien komplementär, das heißt sie würden in der offiziellen Wirtschaft zu einem offiziellen Preis gar nicht nachgefragt, so Schneider. 35 Prozent seien substitutiv, und 25 Prozent würden im Do-it-yourself erledigt. Profiteure des Pfuschs seien neben der Wirtschaft "alle", also jeder, der pfuschen lässt oder selbst pfuscht. "Viele Häuser und Eigenheime gäbe es ohne Pfusch nicht", erinnert Schneider. Ebenso würden zwei Drittel des im Pfusch verdientes Geldes in die Wirtschaft zurückfließen.

Bekämpfen könnte man den Pfusch laut Schneider mit der Abschaffung der kalten Progression, das würde die Schwarzarbeit um 700 Mio. Euro im Jahr senken, oder der Einführung einer steuerlichen Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen bzw. Investitionen im Haushalt, um 800 Mio. Euro im Jahr. Auch eine Lohnnebenkostensenkung würde helfen sowie eine Sperre "böser" Firmen von öffentlichen Aufträgen.