Neuer Rettungsschirm für angeschlagene Firmen gefordert
Derzeit herrscht Ruhe vor dem Sturm. In der Coronakrise sind die Insolvenzeröffnungen fast zum Erliegen gekommen. Weil die Finanz und die Krankenkassen auf Anweisung der Regierung keine Anträge stellen und sich angeschlagene Unternehmen durch Erleichterungen wie Steuerstundungen von Monat zu Monat hanteln. Die Insolvenzwelle wird laut Experten im Herbst oder erst im neuen Jahr anrollen.
„Wir beginnen mit der Sanierung von in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen oft viel zu spät, mit dem Ergebnis, dass sie dann meist fehlschlägt“, sagt Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. „Wir müssen Unternehmen in Schwierigkeiten entstigmatisieren und Möglichkeiten schaffen, rechtzeitig zu reagieren.“ Geht es nach Ruck, dann soll für angeschlagene Unternehmen, denen die Insolvenz droht, ein neues Schutzschirmverfahren mit Eigenverwaltung eingeführt werden.
Automatischer Aufschub
Basis dafür ist die EU-Restrukturierungsrichtlinie aus dem Juli 2019. Ihre Umsetzung in österreichisches Recht soll „bessere Bedingungen schaffen“.
Das neue Verfahren sollen Unternehmen in Anspruch nehmen, die zwar schon arg marod sind, aber das Steuer noch herumreißen können. Dazu sollen diese Betriebe vor den andrängenden Gläubigern geschützt werden, indem „ein automatischer Aufschub von Forderungseintreibungen erfolgt“.
„Für die Umsetzung des Reorganisationsplans sollten Betriebe fünf Jahre statt wie bisher zwei Jahre Zeit erhalten“, heißt es aus der Wirtschaftskammer Wien.
Problematisch wird es aber bei zwei weiteren Vorschlägen: Haben derzeit die Gläubiger im Insolvenzverfahren das letzte Wort und müssen zu allen Plänen ihre Zustimmung geben, so will Ruck die Entscheidungsfindung den zuständigen Gerichten übertragen, wenn den Gläubigern eine bestimmte Mindestquote geboten wird.
Außerdem sollen die Schutzschirmverfahren „nicht öffentlich bekannt gemacht werden“. Indes werden alle Konkurs- und Sanierungsverfahren in der Ediktsdatei des Justizministeriums (www.edikte.justiz.gv.at) veröffentlicht.
Anderer Ansicht
Ricardo-José Vybiral, der Chef des Gläubigerschutzverbandes KSV1870, sieht die Sache etwas anders.
„Unser Insolvenzrecht ist auf Sanierung ausgelegt und wir brauchen es nicht über Bord werfen“, sagt Vybiral. „Man müsste das bestehende Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung viel stärker positionieren und propagieren. Einen vernünftigen Sanierungsplan mit 30 Prozent Mindestquote haben sie in drei Monaten durch und sie sind in zwei Jahren zu 70 Prozent entschuldet.“
Er kann sich vorstellen, dass man das gut eingeführte Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung künftig umbenennt. Zugleich will Vybiral den WKW-Präsidenten Ruck zu einem Diskurs einladen.