Langes Wochenende: Arbeitet noch jemand am Freitag?
Von Roxanna Schmit
Freitag, 14:00 Uhr – Telefone im Büro läuten, nur hebt niemand ab. Auch E-Mails bleiben häufig unbeantwortet, dafür füllen sich Parks und Shopping-Meilen mit Menschen
. Eine Frage, die sich aufdrängt: Wird am Freitag überhaupt noch gearbeitet, oder ist das Wochenende insgeheim längst verlängert worden? Immerhin gilt der Freitag in gewissen Branchen schon länger als der entspannteste Tag der Woche.
Die US-amerikanische Pop-Sängerin Katy Perry widmet dem Tag sogar ein ganzes Lied mit „TGIF (Thank God It’s Friday)“. Der KURIER fragt, was die Wissenschaft zum entspannten Freitag sagt und wie es um den Mythos vom „kurzen Freitag“ steht.
Eines vorweggenommen: Die Arbeitsplätze sind definitiv nicht so dicht besetzt wie zu Wochenbeginn.
Wer sitzt freitags noch im Büro?
Orientiert man sich an aktuellen Studien, ist Homeoffice auf dem Rückzug. Laut der Flexible-Working-Studie von Deloitte ist die Nutzung von Homeoffice um 17 Prozentpunkte gesunken. Gleichzeitig bleibt es aber ein Benefit, den viele Arbeitnehmer nicht missen wollen. Konkret arbeiten 65 Prozent der befragten Mitarbeiter vom Homeoffice aus.
Hier kommt der „entspannte“ Freitag ins Spiel. „Freitags und montags wird man kaum jemanden im Büro antreffen“, sagt Marcus Weixelberger, Experte für flexibles Arbeiten. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts in Deutschland, ist der Freitag nämlich bei weitem der beliebteste Homeoffice-Tag. Auf Branchen heruntergebrochen sieht es so aus: Bei 66 Prozent der Industriebetriebe und 58 Prozent der Dienstleister arbeitet man freitags im Homeoffice. Beim Handel und Baugewerbe sind es 28 Prozent.
Neben dem Homeoffice ist aber auch die Gleitzeit ein beliebter New-Work-Trend. PwC befragte HR-Verantwortliche zu den gängigsten flexiblen Arbeitsmodellen in ihrem Unternehmen. Die Antwort: Homeoffice (98 Prozent) und Gleitzeit (92 Prozent).
Wie wirken sich die flexiblen Arbeitszeiten auf den Freitag aus?
Der Arbeitsklima-Index der AK zeigt, dass generell viele Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit reduzieren möchten. Gründe sind dabei der steigende Arbeitsdruck und psychische Belastungen. Der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitregelungen und kürzeren Wochenarbeitszeiten wird somit laut. Umfragen des Gallup-Instituts zeigen wiederum, dass ca. 42 Prozent der Beschäftigten in Österreich freitags eine kürzere Arbeitszeit in Anspruch nehmen würden. Vor allem jene Mitarbeiter, die flexible Arbeitszeitmodelle haben oder eben die Gleitzeitregelungen nutzen können. Pauschal gesagt, wird an Freitagen also tendenziell weniger als acht Stunden gearbeitet.
Zum Vergleich: In Deutschland starten freitags rund 26 Prozent der Arbeitnehmer um 15 Uhr in den Feierabend. 23 Prozent schon um 14 Uhr.
Und wie viele Stunden werden an Freitagen tatsächlich gearbeitet?
Laut Arbeitszeitgesetz liegt die Normalarbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung bei 40 Stunden die Woche, allerdings können im Kollektivvertrag der jeweiligen Branche auch kürzere Arbeitszeiten vorgesehen sein. Regulär werden acht Stunden am Tag gearbeitet, unter bestimmten Voraussetzungen sind auch zwölf Stunden erlaubt. „Längere Tagesarbeitszeiten müssen innerhalb derselben Woche ausgeglichen werden“, heißt es im Unternehmensserviceportal des Bundeskanzleramts.
Wie man es ausgleicht? Arbeitet man von Montag bis Donnerstag 8,5 Stunden am Tag, kann man am Freitag um 14 Uhr Schluss machen (Freitag-Frühschluss). Die AK hat noch ein anderes Beispiel. Will man neun Stunden als Normalarbeitszeit festlegen, braucht es eine „verlängerte Wochen(end)ruhe“. Also einen kurzen Freitag.
Wie hoch ist die Produktivität an einem Freitag im Vergleich zu den anderen Wochentagen?
Die einfache Antwort: Die Produktivität lässt freitags definitiv nach. Um das zu beweisen, haben Forscher der Texas M&A University zwei Jahre lang 800 Arbeitnehmer beobachtet. Nachmittags und vor allem freitags gibt es einen steilen Produktivitätsabfall, so das Ergebnis. Die Arbeitnehmer hätten weniger geschrieben, aber dafür besonders viele Fehler gemacht. Eine Umfrage von Marketagent belegt diese Beobachtung. Mitarbeiter geben an, im Schnitt knapp 80 Prozent ihrer Arbeitszeit effizient zu arbeiten. Am produktivsten soll dabei der Vormittag sein. Ab 12 Uhr sinkt die Produktivität wieder.
Gibt es branchenspezifische Unterschiede am Freitag?
Bei all diesen Ausführungen sollte ein Punkt nicht außer Acht gelassen werden: Der Freitag gewinnt und verliert je nach Branche an Bedeutung. Während in Bürojobs und kreativen Berufen der Freitag oft flexibler gestaltet wird und sogar kürzer ausfallen darf, ist er in Branchen wie dem Handel, der Gastronomie und dem Gesundheitswesen einer der arbeitsintensivsten Tage.
Hat die Einführung der Viertagewoche Auswirkungen auf den Freitag?
Ja, hat sie. Unternehmen, die eine Viertagewoche etabliert haben, entscheiden sich oft für ein verlängertes Wochenende. Bedeutet: Montag bis Donnerstag werden 40 Arbeitsstunden untergebracht, damit Freitag bis Sonntag der Erholung gewidmet werden kann. Ein Trend, der laut einer Umfrage von forsa im Auftrag von XING mit dem Generationswechsel noch stärker wird. Mehr als die Hälfte der Befragten GenZer halten die Viertagewoche für ein Zukunftsmodell, das sich durchsetzen – und für leere Büros an Freitagen sorgen wird.
Wie hoch ist die Teilzeitquote in Österreich?
Vor der Pandemie arbeitete man durchschnittlich 34,6 Wochenstunden – im Vorjahr waren es nur mehr 32,7 Stunden pro Woche. Interessant bei den Erhebungen der Eurostat und der WKO ist jedoch, dass hierzulande überdurchschnittlich viele Männer Teilzeit arbeiten. Konkret sind es zwölf Prozent.
Zur Veranschaulichung: Der EU-Durchschnitt liegt bei acht Prozent. Auch die Teilzeitquote der Frauen überschreitet den EU-Durchschnitt deutlich. Die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet Teilzeit, während es EU-weit 29 Prozent sind. Österreich erreicht hier einen Höchststand und steht im allgemeinen EU-Vergleich sogar auf dem zweiten Platz. Nur die Niederlande können die heimische Teilzeitquote von 30 Prozent mit ihren 42 Prozent übertrumpfen.
Ist der Freitag überhaupt noch Teil der Arbeitswoche?
Bruce Daisley hat eine Antwort auf diese Frage. Er ist Bestsellerautor und Moderator von „Eat Sleep Work Repeat“, einem Podcast, der sich auf Arbeitsphänomene spezialisiert. Freitage seien seiner Meinung nach schon immer entspannter gewesen. In den 90er-Jahren gab es sogar einen Business-Dresscode namens „Casual Friday“.
Durch die Pandemie und Homeoffice hätte sich der Effekt verstärkt. Für die wenigen, die sich freitags noch ins Büro begeben, besteht der Tag aus lockeren Unterhaltungen mit Kollegen und passivem E-Mail-Kontrollieren, meint er. „Wenn heutzutage jemand ein großes Meeting für Freitagnachmittag ansetzen würde, würden die meisten Mitarbeiter wahrscheinlich versuchen sich da irgendwie herauszuwinden”, so Daisley. „Aber vor ein paar Jahren hatte ich das große Firmenmeeting der Woche immer an einem Freitagnachmittag.”
Die Kombination aus Homeoffice und dem etwas gemächlicheren Tempo hätte den Freitag zu einem Tag des Abdriftens gemacht. Zu einer Entspannungszone vorm Wochenende.