Wirtschaft/Karriere

Wie "woke" müssen heutige Führungskräfte sein?

Dass man es als CEO großer Unternehmen derzeit nicht einfach hat, erfuhr Disney Boss Bob Chapek gerade am eigenen Leib. Als in Florida ein neues Gesetz bezüglich Sexualität und Geschlechtsidentitätsaufklärung in Grundschulen erlassen wurde, reagierte Chapek nicht sofort. Die fehlende Kritik verärgerte Fans und Mitarbeiter, einige legten die Arbeit nieder.

Chapek war nicht „woke“ genug.

Als der CEO sich daraufhin gegen das Gesetz aussprach, entzog der Gouverneur von Florida Disney einen finanziell attraktiven Sonderstatus im Gliedstaat. Chapek war zu „woke“.

„Woke Capitalism“

„Woke Capitalism“ ist ein Phänomen, das in der US-Wirtschaft die Fronten verhärtet. Eigentlich ginge es beim „wachsamen Kapitalismus“ um nachhaltiges, soziales Wirtschaften, welches Umwelt- und Sozialprobleme sowie Minderheiten miteinbezieht. Kritiker aber warnen vor ideologischer Heuchelei und Denkverboten.

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„Problematisch wird jede dieser Bewegungen, wenn sie sich  ins Extremistische,  Radikale und damit  Intolerante verwandelt.“

Werner Leeb, Trigon

„Die grundsätzliche Intention all dieser Bewegungen ist insofern als positiv zu bewerten, da sie den Fokus der Mehrheitsgesellschaft auf ernst zu nehmende, berechtigte Anliegen lenken und dazu auffordern, Achtsamkeit diesbezüglich zu entwickeln “, meint dazu Werner Leeb von der Trigon Entwicklungsberatung.

Problematisch, so Leeb, wird es dann, wenn es ins Extremistische, Radikale und damit Intolerante geht, weil dann Spaltung und Sprachlosigkeit die Folgen sind.

"Woke" in Österreich

„Die woke-Kultur ist in Österreichs Unternehmen teilweise im Marketing und in der Werbung angekommen, nicht jedoch tief in den Unternehmen. Die Bedeutsamkeit ist im Vergleich zum Ausland überschaubar. Österreich ist kein Trend-Leader oder Early Adapter, bei uns gilt: Gut Ding braucht Weile“, sagt auch Charlotte Eblinger-Mitterlechner, Geschäftsführerin der Eblinger und Partner Personal- und Managementberatungs GmbH. Führungskräfte sollten sich dennoch damit auseinandersetzen: „Was aber nicht heißt, dass die Trends eins zu eins umgesetzt werden.“

„Es ist tatsächlich so, dass vermehrt Konzerne bei Beauftragungen von Beratern Gender- oder Diversity-Schulungs-Nachweise verlangen. Die Sensibilität hinsichtlich der Thematik ist jedoch – aus meiner subjektiven Erfahrung – sehr unterschiedlich, je nach Branche, Unternehmensgröße und Region“, erklärt Leeb.

"Weibliche Führungskräfte zeigen hier mehr Engagement"

So manche heimische woke-Maßnahme scheint ihm eher eine kosmetische Aktion zu sein: „Nach dem Motto: Wir sind da auf der sicheren Seite und brauchen uns nichts vorwerfen zu lassen.“ Tendenziell nimmt er auch einen Überdruss bezüglich der Thematik wahr: „Und ich habe die Wahrnehmung, dass weibliche Führungskräfte hier mehr Engagement zeigen und auch mehr hinter diesen Themen stehen, als männliche.“

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„Ich beobachte, dass das Bewusstsein für woke Themen eher von den jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt.“

Charlotte Eblinger-Mitterlechner, Eblinger und Partner

Er selbst würde eine gemäßigte Ausprägung mit dem Bemühen und dem Anstoß eines Dialogs begrüßen: „Jede Form von überzogener, apodiktischer Haltung würde der Sache an sich und vor allem dem Klima tendenziell schaden.“

Eine Generationenfrage

Charlotte Eblinger meint, dass uns etwas mehr „woke“ guttun würde: „Wenn wir immer noch über die Notwendigkeit von Gendern in der Sprache oder einer Quote für Frauen in Führungspositionen oder Aufsichtsräten diskutieren, wäre ein bisschen mehr Bewusstsein für Ungerechtigkeit schon angebracht.“ Ihrer Einschätzung nach handelt es sich bei dem Thema auch um eine Generationenfrage.

Eblinger: „Die ältere Generation empfindet soziale Ungerechtigkeiten und Rassismus ganz anders als die jüngere. Vielleicht weil es sie auch nicht betrifft. Der Durchschnitts-Weiße-Mann wird ja auch nicht diskriminiert und weiß daher gar nicht, wie sich das anfühlt.“

Wachsam oder totalitär korrekt?

"Woke" ist ein im afroamerikanischen Englisch ab den 1930ern verwendeter Begriff, um ein „erwachtes“ Bewusstsein für soziale Unterdrückung und Rassismus zu bezeichnen. Heute bedeutet "Wokeness" laut Duden hohe, gelegentlich engstirnige oder mit militantem Aktivismus verbundene Sensibilität für insbesondere rassistische und sexistische Diskriminierung oder soziale Ungleichheit. Der Begriff "woke Capitalism" wurde von NY-Times-Kolumnist Ross Douthat geprägt. Er beschreibt den Trend, historisch marginalisierte Gruppen – als eine Art Maskottchen – in die Werbung einzubeziehen, um damit möglichst progressive Werte zu signalisieren.

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Anti-woke Bestseller

Ramaswamy warnt vor Triumph der Heuchelei

Der Blick intelligent,  die Zähne weiß, die Schneiderhandkante am Revers edel – Vivek Ramaswamy verkörpert Erfolg schon rein äußerlich. Und so verwundert es wenig, dass der 1985 in Cincinnati geborene Immigrantensohn von sich selbst sagt: „Ich lebte den vollen Bogen des amerikanischen Traums.“ Doch dann entschied er sich  – mit einem kolportierten Reinvermögen von über 500 Millionen US-Dollar – einen anderen Weg zu gehen. „Ich habe Corporate America verlassen.  Jetzt kämpfe ich gegen seinen woke-Takeover“, so der Titel eines PragerU-Videos zu seiner Person.

Begonnen hat seine Laufbahn ebenfalls kämpferisch

Als indisches Einwandererkind und Strebertyp mit Brille hatte er es in der Schule nicht einfach. Als er von Mitschülern über eine Treppe gestoßen wurden, riet die Lehrerin zum Schulwechsel – ausgerechnet in eine katholische Privatschule. Dort, so der hinduistisch aufgewachsene  Ramaswamy, lernte er „komfortabel damit zu sein, es unkomfortabel zu haben.“ Während des Studiums in Harvard entdeckte er seine unternehmerischen Talente.

„Alle Ideen waren damals willkommen“, erinnert er sich. Das sei heute anders. „Selbst als CEO eines großen Unternehmens konnte ich nicht frei meine Meinung sagen.“ 2020, nach der tragischen Tötung von George Floyd durch einen weißen Polizisten, machte sich das besonder bemerkbar, weil Ramaswamy die Black Lives Matter Bewegung nicht ausreichend unterstützte.

„Woke Inc. - Inside the Social Justice Scam“

Wenig später trat er als CEO zurück und schrieb ein Buch. „Woke Inc. Inside the Social Justice Scam“ wurde zum Bestseller. Denn seine Kritik einer angeblich undemokratischen und hypermoralisierenden Vermischung von Politik und Wirtschaft traf  einen empfindlichen Kern:  woke-Kapitalismus, so Ramaswamy, tue nur scheinbar Gutes und richte dabei viel Schaden an.

Rüstungskonzerne, die pazifistische NGOs unterstützen und Ölmultis, die sich Umweltorganisationen  anschließen, seinen einzig an einem Anschein von Tugend interessiert. In einem NZZ–Interview stellt Ramaswamy  kürzlich klar, dass Unternehmen  eine soziale Verantwortung haben. Doch es sei nicht an dem CEO, Politik zu machen. Bei politischen Themen sollte die Stimme jedes Bürgers gleichermaßen zählen.

Ramaswamy übt aber nicht nur Kritik

Er möchte einen Exzellenz-Kapitalismus, in welchem der Kunde wichtiger ist als jeder andere Stakeholder. Den Hauptsitz seiner Biotech-Holding Roivant hat der konservative Republikaner nach  Basel gelegt. In Europa, so wird er zitiert, gäbe es nicht die gleiche Art von fragwürdigen Quotensystemen wie in US-Unternehmen.  Im Mai gründete der die Vermögensverwaltungsfirma Strive Asset Management, die es mit den ganz Großen der Finanzbranche wie Blackrock und Vanguard aufnehmen möchte.