Wirtschaft/Karriere

Quiet Quitting: Warum viele im Job nicht mehr die Extrameile gehen

Ob auf sozialen Plattformen oder in den Nachrichten, dem Begriff „Quiet Quitting“ (Anm.: engl. für „Leise Kündigung“) entkommt man aktuell nicht. TikTok-Influencer sagen: „Ich werde mich nicht für ein Unternehmen aufopfern, dem ich als Mensch egal bin“ und CNN-Moderatoren bezeichnen den Trend als das „Feiern des Mangels an Enthusiasmus.“

Doch was genau ist Quiet Quitting?

Hierzulande würde man es als „Dienst nach Vorschrift“ bezeichnen. Neu ist das Phänomen nicht. Vor einigen Jahren sprach man schon von der „Inneren Kündigung“. Man macht genau das, was verlangt wird und geht nicht über das Nötigste hinaus. So werden nach den Arbeitsstunden die Diensthandys abgedreht und E-Mails nicht mehr beantwortet. Keine Überstunden mehr und kein extra Aufwand.

KURIER: Warum ist Quiet Quitting ausgerechnet jetzt wieder Thema?
Reinhard Raml: Angesichts der aktuellen Krisen sind wir überlastet und psychisch belastet. Der Arbeitskräftemangel spielt da mit. Viele denken nun darüber nach, den Job zu wechseln. Die Rahmenbedingungen sind dafür jedoch zu unsicher und die Leute fühlen sich in ihrem Job gefangen. Deswegen ziehen sie sich zurück. Es ist ein Ausdruck des Frustes und eine Art, mit der Überforderung umzugehen.

 

Ein generationsübergreifendes Phänomen?
Der Druck und die Überlastung treffen uns alle. Spannend ist, dass der Frust und die Resignation bei den jüngeren Leuten viel stärker ansteigen. Ihnen ist ein besseres Verhältnis und klare Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit wichtig.
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Reinhard Raml beschäftigt sich seit 2002 im Institut für empirische Sozialforschung (IFES)  unter anderem mit der „Arbeitsweltforschung“ und setzt sich als Mitverfasser des „Österreichischen Arbeitsklima Index“  schon länger mit den unterschiedlichen Arbeitswelttrends auseinander. 2015 wurde Raml  IFES-Geschäftsführer.   

 

Quiet Qutting ist vor allem durch US-amerikanische TikToks zu einem Trend geworden. Ihre Arbeitssituation unterscheidet sich jedoch drastisch von der heimischen. Ist Quiet Quitting dennoch auch bei uns ein Thema?
Wir wissen noch nicht, ob es wirklich ein großes Thema sein wird oder, ob es sich nur um einen „Social-Media-Trend“ handelt. Es ist auf jeden Fall kein Massenphänomen. Der Mensch will Arbeit, die Spaß macht auch gut machen. Ich sehe es als Kritik an den Arbeitsbedingungen. Es könnte sein, dass es eine Diskussion über Arbeitsverteilung auslöst und den Umgang mit dem Arbeitskräftemangel.

 

Das Arbeitsklima ist laut dem AK-Arbeitsklima-Index so schlecht wie seit Jahren nicht: Was sollte sich seitens der Arbeitgeber ändern?
Es weist auf eine Unzufriedenheit hin und ist ein Aufschrei der Belegschaft. Die Rahmenbedingungen müssen sich daher ändern, damit wieder mehr Arbeitskräfte im Unternehmen arbeiten wollen. Flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung sind im Augenblick besonders wichtig. Auch faire Bezahlung ist für einige ein essenzieller Punkt. Als Arbeitgeber muss man kreativ werden, neue Arbeitsmodelle ausprobieren und mit den Mitarbeitern in einen Dialog treten.

 

Werden wir als Gesellschaft einfach „fauler“?
Fauler werden wir sicher nicht. Die Frage ist, wo wir unsere Energie investieren? In das Berufsleben oder privat? Die Bedeutung von Arbeit als Wert für die Menschen geht deutlich zurück. Man identifiziert sich nicht mehr so sehr mit seiner Arbeit. Vor allem die jüngere Generation möchte nicht mehr bis sieben am Abend im Büro sitzen, sondern stattdessen abends noch entspannt Netflix schauen. Das ist ein legitimer Wunsch.

 

Ist das das Ende der „Hustle Culture“?
Ob es das Ende bedeutet, wissen wir noch nicht, aber es ist auf jeden Fall eine Kritik an dieser Kultur. Das Überarbeiten bis zur Selbstaufgabe, für kaum mehr Gehalt erscheint zunehmend unattraktiv.

 

Führt Quiet Quitting zu mehr Balance?
Nein, ich glaube nämlich nicht, dass uns das glücklich macht. Es mag zwar sein, dass es kurzfristig Erleichterung bringt, aber wenn man das langfristig allein durchzieht, eckt man an und es könnte zu Konflikten kommen.
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„Es ist keine leise Kündigung..."

"...sondern ein dem Lohn entsprechendes Arbeiten. Wenn Arbeitgeber mehr wollen, sollten sie auch mehr zahlen“, äußern sich TikToker kritisch zu dem Begriff und sprechen stattdessen von "Quiet Firing" (Anm.: engl. für "Stille Entlassung"). "Quiet Firing" soll die andere Seite der Diskussion in den Vordergrung stellen und zwar Arbeitgeber, die Mitarbeitern, trotz ihrer Bemühungen, über Jahre hinweg keine Gehaltserhöhung oder Beförderungen ermöglichen.

Auch der „Daily Show“-Host Trevor Noah äußerte sich zu dem Trend: „Es ist einfach Arbeit.  Wenn deine Arbeit um fünf endet, solltest du danach auch keine  Nachrichten mehr beantworten müssen.“  

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