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Milch aus Obstkernen: Dieses Start-up rettet Marillenkerne vor dem Müll

Über 500 Millionen Kilo Obstkerne werden jedes Jahr allein in Europa bei der Fruchtverarbeitung zu Saft, Marmelade und Co. weggeworfen. Ein großes, bisher ungenutztes Potenzial an natürlichen Rohstoffen.

Rettung der Kerne

Luca Fichtinger und sein Team von Kern Tec haben sich der Rettung dieser Kerne verschrieben und produzieren unter dem Namen „Wunderkern“ pflanzliche Milch, Öl und Brotaufstrich. Wie nachhaltig das tatsächlich ist und was passiert, wenn ihnen die Kerne ausgehen, erzählt Luca Fichtinger im Gespräch mit dem KURIER.

KURIER: Das Angebot an pflanzlichen Milchalternativen ist groß. Von Hafer, - Mandel, -Soja bis hin zu Reisdrinks. Warum braucht es zusätzlich eine Milch aus Obstkernen?

Luca Fichtinger: Alternativmilch ist grundsätzlich ein stark wachsendes Segment. Immer mehr Menschen trinken alternative, pflanzliche Milch. Vier Sorten haben sich dabei besonders durchgesetzt: Soja-, Mandel-, Hafer- und Reismilch. Für viele war aber bisher noch nichts Passendes dabei. Neben dem Geschmack suchen viele Konsumenten auch aus einem ökologischen Gedanken heraus nach pflanzlichen Alternativen. Kuhmilch ist nun einmal ein Produkt, das man überdenken sollte. Bei der Erzeugung entsteht sehr viel CO2 , es braucht viel Land – und vor allem: Wasser.

Wasser braucht man für die Herstellung pflanzlicher Milchgetränke aber auch.

Ja, manche Alternativmilcharten sind nicht so nachhaltig, wie sie scheinen. Die Mandelmilch zum Beispiel: Über neunzig Prozent der Mandeln werden mittlerweile in Kalifornien angebaut, die dann auch in der Milch landen. Das ist schon einmal nicht regional. Das Schlimmste ist jedoch der Wasserverbrauch. Bei einer einzigen kleinen Mandel sind das etwa zehn Liter. Bei unserer Milch aus Marillenkernen ist der Vorteil: Die Rohstoffe sind bereits da, wir brauchen keine zusätzlichen Anbauflächen.

Wie kommt man auf die Idee, aus Obstkernen Milch herzustellen?

Die Idee kam uns während eines Gesprächs mit einem Obstbauern. Wir haben ihn gefragt, mit welchen Problemen und Schwierigkeiten er zu kämpfen hat. Er hat uns erzählt, dass er Marillenkerne entsorgen muss, und ihn das sehr ärgert. Das waren wirklich viele, ein bis zwei Tonnen pro Jahr. Gleichzeitig wusste er aber auch um das Potenzial der Kerne, mit ihren Samen, die einen nussähnlichen Geschmack haben. Da haben wir begonnen zu recherchieren. Wir haben bei den größeren Obstbetrieben in Österreich, Italien, Frankreich und Spanien nachgefragt, und dabei erfahren, dass sie ein- bis zweitausend Tonnen Obstkerne entsorgen. Für uns war klar, dass das ein großes Food-Waste-Problem ist. Wir wollten also etwas daraus entwickeln. 

Und wie wird aus Marillenkernen Milch?

Wir sammeln die Obstkerne von den Obstbetrieben ein. Die frischen Kerne waschen und trocknen wir. In unserer Produktionshalle in Herzogenburg haben wir spezielle Maschinen, die dann im ersten Schritt die Kerne aufbrechen, ohne dabei die Samen zu verletzen. Wir können rund 1.000 Kilogramm Kerne pro Stunde verarbeiten. Für einen Liter Milch brauchen wir 82 Kerne.

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Wie umweltfreundlich ist dieses Verfahren?

Wir haben einen Vergleich mit den anderen Grundrohstoffen hergestellt und gemerkt, dass unsere Produkte mindestens dreißig Prozent weniger CO2-Ausstoß verursachen. Besonders in puncto Wasserverbrauch schneiden die Kerne gut ab: Marillenkerne sparen gegenüber Mandeln 96 Prozent ein.

Was, wenn euch die Kerne einmal ausgehen?

Gute Frage. Ich glaube, wenn wir keine Kerne mehr haben, ist unsere Mission erfüllt. Dann sind alle Kerne gerettet worden. Aber im Ernst: Es gibt auf der ganzen Welt Obstkerne, auch in Amerika und Asien.

Ein Import aus diesen Ländern ergäbe aber einen großen CO2-Verbrauch.

Die Kerne aus China zu holen, würde keinen Sinn machen, das stimmt. Aber aus näheren asiatischen Ländern wäre das durchaus vorstellbar.

Milchalternativen sind oft sehr viel teurer als Kuhmilch. Wie viel kostet euer Kerndrink?

Österreichweit 1,99 Euro.