Wirtschaft

IV: Größere Industrie-Krise abgewendet, schwierige Situation bleibt

In Österreich ist keine größere Industrie-Krise in Sicht, es gibt eine Stabilisierung - auch wenn die Lage im ersten Halbjahr weiter herausfordernd bleibt. Das besagen die wichtigsten Ergebnisse des neuesten Konjunkturbarometers der Industriellenvereinigung (IV). Die milliardenschweren Wirtschaftshilfen sind demnach sehr wichtig gewesen. Die Unternehmenssubventionen müssten langsam aber sicher wieder abschmelzen. Das Budget stehe unter Druck, es brauche wieder mehr Disziplin.

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"Wenn wir Licht am Horizont sehen, dann müssen wir uns aus dem Zustand, an den wir uns an die vergangenen Jahre gewöhnt haben, lösen und das Subventionieren im Unternehmenssektor wieder zurückfahren", forderte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer vor Journalistinnen und Journalisten in Wien. "Eigenverantwortung und Budgetdisziplin sind das Thema für das neue Jahr - auch um möglichen neuen Krisen optimal zu begegnen." Inklusive der Abschaffung der Kalten Progression und des neuen Energiekostenzuschuss 2 wurde laut IV-Berechnung mit 32 Mrd. Euro interveniert, um die Krise abzufedern.

Positive Stimmung

Auf Nachfragen, wo denn nun Staatshilfen abgeschmolzen werden könnten, blieb Neumayer unkonkret, er betonte mehrfach, dass es grundsätzlich richtig gewesen sei, Unternehmen und Haushalten rasch zu helfen - "aus psychologischer Wirkung". Er betonte auch, dass gerade der Energiekostenzuschuss 2 strenge Kriterien für größere Firmen und die Industrie berge. Auch würde "sowieso nur ein Drittel der Mehrkosten" ersetzt, dazu gebe es ein Dividendenverbot und vieles mehr. Andererseits gebe es sicherlich andere Bereiche, die man sich genauer anschauen müsse. Welche, ließ die IV offen. Dass die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) zuletzt auch einen Aufbau von Eigenkapital bei Unternehmen auch bedingt durch die vielen Hilfen seit Corona kritisierte, stieß bei der IV auf Verwunderung. Gerade Lehman habe gezeigt, wie wichtig ein ausreichender Eigenkapitalpuffer sei.

Derzeit gebe es hierzulande jedenfalls einen Stimmungswechsel hin ins Positive, so IV-Chefökonom Christian Helmenstein. Aus der vorangegangenen Sorge vor einer Rezession dürfte man mit einer Konjunkturdelle davonkommen. Denn der russische Krieg gegen die Ukraine führe nicht zu einer Großkrise, wie sie befürchtet worden war.

"Es gibt nach Lehman und Covid keine dritte Großkrise", stellte Helmenstein fest. "Diese Überzeugung beginnt sich in der Industrie in Österreich und Deutschland zu verbreiten. Wir erkennen die Vorboten einer konjunkturellen Stabilisierung, aber die Herausforderungen in der realwirtschaftlichen Entwicklung sind groß und enorm abhängig von den Entwicklungen in China, den USA und der Energiepreise." Es gehe nun - dank der milliardenschweren Staatshilfen - um die Frage, ob die heimische Wirtschaft heuer um einen viertel, halben oder dreiviertel Prozentpunkt wachse.

Die Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage hat sich im neuesten Barometer zwar neuerlich verschlechtert. Dafür sind die Erwartungen auf Sicht von sechs Monaten nun aber wieder leicht im positiven Bereich. Um den möglichen Aufschwung tatsächlich zu sichern, brauche es eine "politische Begleitung, ein möglichst optimales Unterstützen", forderte Neumayer und sprach mit dem Arbeitskräftemangel den Dauerbrenner bzw. vielmehr den Dauerhemmer in Österreichs Wirtschaft an. "Wir brauchen die Menschen, die die Erholung begleiten können."

Mehr Vollzeit, länger arbeiten und Energiewende vorantreiben

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe zum Thema soll gegen Ende des ersten Quartals Ergebnisse bringen. Aus Sicht der IV sollen zusätzliche Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt lukriert werden, indem unter anderem mehr Menschen - vor allem Frauen - aus der Teilzeit in die Vollzeit kommen, Überstunden steuerlich bessergestellt werden und Erleichterungen fürs Weiterarbeiten im Pensionsalter umgesetzt werden. "Wir unterstützen eine Menge an Maßnahmen, die man setzen kann. Die Erwartungshaltung der Unternehmen ist groß", sagte Neumayer.

Auch an der Energiewende müsse intensiv weitergearbeitet werden. Insbesondere eine Novelle des UVP-Gesetzes, die die Umsetzung neuer Energieformen beschleunigt, wäre aus IV-Sicht "ein gutes Signal". Für die Energiewende brauche es die Infrastruktur, es gehöre ein Zahn zugelegt. Auch hier brauche es die Fachkräfte zur Umsetzung.

Laut IV-Ökonom Helmenstein sind in Österreich riesige Investitionen notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit in Sachen Digitalisierung, Automatisierung und Robotik zu steigern und so den Standortnachteil bei den Energiekosten abzufedern. "Wenn das Erneuerbaren-Ausbaugesetz umgesetzt werden soll, sind bis 2030 30 Milliarden Euro zusätzlich notwendig." Hier sei ein Netzausbau, der weitere 20 Mrd. Euro notwendig mache, noch gar nicht eingerechnet. "Es gibt also ein zusätzliches, notwendiges Investitionsvolumen von 50 Milliarden Euro", stellte Helmenstein fest. "Es sind also sehr dynamische 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts zu erwarten."

Schaue man nur auf die wichtigsten Wirtschaftsindikatoren der USA, Europas und Deutschlands, komme man derzeit noch zu einem "relativ deprimierenden" Ergebnis, sagte Helmenstein. Heuer werde andererseits aber auch mit mehr als 60 "Tigerstaaten" gerechnet, deren Volkswirtschaften real um mehr als 4 Prozent wachsen dürften. "Obwohl China und die USA eine konjunkturelle Schwächephase durchlaufen und weniger unter den hohen Energiepreisen leiden: Das zeigt, wie wichtig eine Partizipation am multipolaren Wachstum ist, um über Exporte auch in der eigenen Volkswirtschaft Wachstum zu generieren."