"Glasgespräche": Von Lieblingsgläsern und Glasgeboten
Von Nicole Zametter
In jedem guten Haushalt gibt es sie: Rotweingläser, Weißweingläser und Sektflöten, neben den klassischen Wassergläsern versteht sich. Meist gibt es auch noch die Alltagsgläser und solche für besondere Anlässe. „Dabei sollten immer gute Gläser zum Einsatz kommen. Zum einen, weil man aus ihnen einfach besser trinkt, zum anderen, weil gerade diese für den häufigen Gebrauch gemacht sind“, gibt Glas-Experte Leonid Rath, einer der drei Geschäftsführer von J.& L. Lobmeyr, zu bedenken. Gerade beim Trinken lernt man viele Glaubenssätze, die es zu hinterfragen gilt. Deshalb luden Andreas und Leonid Rath von Lobmeyr zu „Glasgesprächen“. Dabei verrieten Winzerin Stefanie Tscheppe-Eselböck, Unternehmerin Praline LeMoult und Designerin Florence Wibowo ihre Glasvorlieben und gingen unterschiedlichen Geschmacksfragen auf den Grund. Unzählige Arten von Trinkgefäßen stehen bei Lobmeyr zur Verfügung: Klassische Entwürfe, moderne Interpretationen, hauchzarte Gläser und massive Becher. Diese galt es auszuprobieren, zum Bier-, Wein- und Champagnergenuss.
Großen ästhetischen Anspruch hat Designerin Wibowo, der sich naturgemäß auch auf die Wahl des passenden Trinkgefäßes auswirkt. So greift sie etwa zum Champagnerglas, wenn Bier kredenzt wird. „Ich würde Bier am liebsten aus dem Champagnerglas von Song trinken. Das ist vielleicht etwas dekadent, aber es hat einen wunderbaren, festen Stand und durch die trichterförmige Kuppe würde auch die Bierkrone schön zur Geltung kommen“, so Wibowo. Für Winzerin Stefanie Eselböck kommt dem Glas freilich weniger Bedeutung zu, als dem Inhalt: „Ich finde es sehr gut, dass diese eingelernten Dinge inzwischen aufgebrochen werden. Welches Glas wozu gehört, das ist oft völlig überholt.“ Vielmehr ist Trinkgenuss auch ein ganzheitliches Erlebnis, findet Leonid Rath: „Das Trinkerlebnis ist eben nicht nur der Geruch, sondern auch Haptik und Optik. Trinken ist sehr visuell, das Auge trinkt mit.“ Dazu ergänzt Stefanie Eselböck: „Es ist auch eine gewisse Energie, die das Glas mittransportiert. Die Eleganz und Feinheit des Glases überträgt sich auch auf den Trinkenden.“
Die Glasserie „Reigen“ von Aldo Bakker kommt dem entgegen: „Durch sechs komplett unterschiedliche Formen lässt sich alles einmal ausprobieren und vielleicht eine Vorliebe entdecken. Da kann sich jeder Gast aussuchen, welchen Becher er am liebsten mag“, beschreibt Leonid Rath eine der aktuellen Trink-Serien des Hauses. Der spielerische Umgang mit den Alltagsgegenständen ist den Unternehmern wichtig: „In welcher Art die Gläser verwendet werden, ist natürlich den Kunden überlassen. Die ursprünglich als Fingerschalen gedachten Gläser verwende ich daheim etwa als Snackschalen für Oliven oder Nüsse. Man muss einen praktischen Zugang zu den Produkten haben und darf seine Gäste auch nicht überfordern,“ findet Andreas Rath. „Das größte Asset unserer Gläser ist, dass sie zwar sehr fein sind, aber nicht aufdringlich. Das ist den Gästen gegenüber ein Zeichen der Wertschätzung. Man deckt fein auf, aber nicht so fein, dass sich der Besuch unwohl fühlt oder sich gar nicht anzufassen traut. Das ist ein wichtiger Aspekt für einen gelungenen Abend: Animierend und anregend sollte es sein, nicht abschreckend.“
Authentizität ist also ein Garant für einen gelungen Abend und genau darin liegt auch die Stärke von Lobmeyr: „Es gibt heute einen Trend zum Authentischen und zum ehrlichen Handwerk, der kommt uns entgegen“, weiß Andreas Rath um die Vorzüge des Traditionsunternehmens. Laufend wird auch an neuen Produkten gearbeitet, für 2022 sind neue Weingläser geplant. „Wir haben ja unzählige Weingläser im Sortiment. Nur keine ganz normalen“, scherzt Leonid Rath. Die Ballerina Serie ist in Japan unser Verkaufsschlager, aber für Europa werden sie nun angepasst.“ Es sind die kleinen Unterschiede, die Lobmeyr-Gläser ausmachen und Menschen in aller Welt begeistern.
Die Meisterschaft der Lobmeyr-Glasbläser zeigt sich in der Herstellung von hauchzartem Musselin-Glas. Mit einer Stärke von weniger als einem Millimeter sorgt es für einen unvergleichlich feinen Kontakt zwischen Mund, Glas und Getränk – eine sinnliche Erfahrung, die sich auf das Genießen auswirkt, wie die anwesenden Gäste bestätigen. Bis zum Verkauf durchläuft ein Lobmeyr-Glas mindestens vier Qualitätskontrollen: „Das wichtigste Kriterium ist immer die Form, erst danach werden etwa Fehler im Glas bewertet“, so Leonid Rath. Die Gestalter von Lobmeyr sind Maler, Architekten oder Designer. Um die Jahrhundertwende waren es Josef Hoffmann oder Adolf Loos, heute sind es Stefan Sagmeister, Helmut Lang, Gregor Eichinger, Tomàs Alonso und Marco Dessí, um einige zu nennen. „Wir bekommen regelmäßig Anfragen von Entwerfern aus aller Welt“, erzählt Rath nicht ohne Stolz. Darauf wird abschließend angestoßen. Jeder mit dem persönlichen Lieblingsglas in der Hand.