Eigenheimweh - 2020 macht das Haus zum Objekt der Begierde
Von Ulla Grünbacher
Es ist der Wohntraum schlechthin – und das seit vielen Jahren: Das Einfamilienhaus. Im Idealfall nicht in Form eines Reihenhauses, sondern frei stehend, von Wiesen umgeben oder am Waldrand.
In den vergangenen Monaten ist die Nachfrage nach Häusern im Grünen noch einmal mehr angekurbelt worden, sie ist „signifikant gestiegen“, wie Georg Edlauer, Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder Österreich, betont.
"Krisen besser am Land zu meistern"
Warum das so ist, hat mehrere Gründe. Aktuell hat der Lockdown dazu geführt, dass viele Mieter und Wohnungseigentümer gesehen haben, dass das Leben in der Stadt zum Erliegen gekommen ist. „Viele Menschen sind davon überzeugt, dass man die Krise besser am Land meistert“, sagt Martina Jankoschek, Leitung Niederösterreich Süd, Wien und Burgenland bei Raiffeisen Immobilien (RIV).
Hier hat man einen Garten, den man als Freiraum nutzen kann, auch der Aspekt der Selbstversorgung wird immer wichtiger. Außerdem ist vielen Städtern während des Lockdowns klar geworden, dass sie mehr Raum brauchen, damit sie einen Arbeitsplatz unterbringen – und nicht länger am Küchentisch arbeiten müssen.
Auch rein rechnerisch überzeugt das Einfamilienhaus. „Für den Preis einer mittelgroßen Eigentumswohnung in der Stadt bekomme ich in St. Pölten ein Haus“, weiß Georg Edlauer.
Was muss das Haus bieten?
„Es muss zwischen 130 und 150 Quadratmeter groß sein, eine gewisse Gartenfläche haben, wenige Emissionen verzeichnen und mit zeitgemäßen Sanitäranlagen ausgestattet sein“, fasst Georg Edlauer zusammen. Und: „Es darf etwas renovierungsbedürftig sein, aber kein ‘Bastlerhit’.“ Denn es kommen vermehrt renovierungsbedürftige Häuser auf den Markt.
Anbindung, Größe, grüne Energie
Auch Martina Jankoschek weiß aus langjähriger Erfahrung, was Kaufinteressenten suchen: „Der Zug sollte in der Nähe sein, jedoch ohne dass man ihn hört. 110 Quadratmeter sind das Minimum, gesucht werden eher größere Objekte, wo auch ausreichend Platz für das Homeoffice ist.“
Sie ergänzt: „Die Leute überlegen sich auch, wie die Energieversorgung ist.“ Verfüge das Haus über eine Öl-Heizung, dann ist das häufig ein K. O.-Kriterium. Wichtig ist auch eine gewisse Infrastruktur in erreichbarer Nähe.
Preise ausschlaggebend
Entscheidend ist jedoch nach wie vor der Preis. „Gute, preiswürdige Eigenheime finden schnell Abnehmer“, sagt Georg Edlauer und nennt ein Beispiel, in dem ein Haus in Niederösterreich binnen zwei Wochen einen Käufer gefunden hat. Die Vermarktungszeiten seien generell kürzer geworden.
Die Preise für Einfamilienhäuser sind aufgrund der großen Nachfrage gestiegen, das geht aus aktuellen Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank hervor. In Wien beschleunigte sich der Preisanstieg für Wohnimmobilien im zweiten Quartal 2020 auf 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, nach 3,9 Prozent im ersten Quartal.
Preise steigen
Außerhalb Wiens – hier waren vor allem Einfamilienhäuser gefragt – war es ein Preisanstieg in der Höhe von 6,8 Prozent, nach einem Plus von 2,8 Prozent im Vorjahr. Auch in Wien wurden Einfamilienhäuser deutlich teurer, sie bilden aber nur einen kleinen Teil des Marktes. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem, weil viele Verkäufer sind verunsichert und bringen ihre Objekte derzeit nicht auf den Markt.
Auf den Markt kommen vor allem Objekte aus Verlassenschaften, wenn die Erben das Haus nicht selbst brauchen, Scheidungshäuser sowie Objekte, bei denen der Bedarf wegfällt, weil die Bewohner etwa ins Seniorenheim ziehen.
Preislich wechseln durchschnittlich große Häuser im Raum St. Pölten, um ein Preisbeispiel zu nennen, um bis zu 400.000 Euro den Besitzer, beziffert Edlauer.
Speckgürtel dehnt sich aus
Da der Markt im Umfeld von Wien praktisch leer gefegt ist, dehnt sich der Speckgürtel zunehmend weiter aus – der Suchradius der Kaufinteressenten – es sind in erster Linie Familien – wird größer. Das hat auch damit zu tun, dass die öffentliche Anbindung besser geworden ist. „Durch die Westbahn und die A5 rücken Orte wie Waidhofen an der Ybbs, Waidhofen an der Thaya und Hainburg stärker in den Fokus von Kaufinteressenten“, sagt Georg Edlauer.
Hotspots um Wien
Als Hotspots, wo die Nachfrage besonders groß ist, nennt Martina Jankoschek folgende Lagen: „Tulln, das Kamptal, das nördliche Burgenland, Eisenstadt und Neusiedl, generell die Lagen entlang der Südbahn sowie der Apspernbahn Richtung Wechselgebiet. In den genannten Gegenden steigen auch die Preise.
Hinzu kommt der verstärkte Trend zum Homeoffice, der es möglich macht, den Suchradius auszudehnen. „Wenn ich nur drei Mal die Woche ins Büro fahren muss, dann nehme ich 15 Minuten mehr Fahrzeit in Kauf“, rechnet Georg Edlauer vor.
Das bestätigt auch Alexandra C., sie sucht für die 5-köpfige Familie ein Haus im südlichen Niederösterreich. „Maximal 30 Minuten mit dem Auto nach Wien, höchstens 45 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln“, benennt sie ihren persönlichen Suchradius.
Mittlerweile ist die Familie seit zwei Jahren ernsthaft auf der Suche nach dem passenden Haus. Was ihr besonders wichtig ist? „Ein Haus, das man nach den eigenen Bedürfnissen herrichten kann, die Räume dürfen nicht zu klein sein.“ Dass Häuser von Jahr zu Jahr teurer geworden sind, hat die Suche nicht leichter gemacht.
Nun ist endlich ein Objekt in der engeren Wahl – und ein Abschluss eventuell in Sicht.