Zinsanstiege belasten viele Wohnkreditnehmer
Von Ulla Grünbacher
In Österreich setzten überdurchschnittlich viele Wohnungskäufer und Häuslbauer auf variabel verzinste Wohnbaukredite – trotz der lang anhaltenden Niedrigzinsphase. Bis Anfang 2022 war das auch kein Problem, denn die Zinsen lagen bei 0,5 Prozent. Die Kreditnehmer wogen sich in Sicherheit. Ein Umstand, der sich nun bei deutlich gestiegenen Zinsen bitter rächt. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte die Leitzinsen zwischen Juni 2022 und Juli 2023 Schritt für Schritt (siehe Grafik) – zuletzt auf 4,25 Prozent. Erwartet wird, dass im Herbst ein weiterer Zinsschritt im Kampf gegen die hohe Inflation folgt.
„Wir erleben gerade den schnellsten Anstieg der Notenbankzinsen in der österreichischen Nachkriegsgeschichte“, betont Andreas Eder, Immobilienexperte bei der Vergleichsplattform durchblicker. „Von Minus/Null auf drei Prozent in weniger als 12 Monaten – das hat sicher viele auf dem falschen Fuß erwischt“, so ÖRAG-Vorstand Michael Buchmeier. Die Folge: Mittlerweile haben sich die Kreditraten privater Haus- und Wohnungskäufer spürbar erhöht, was viele Haushalte unter Druck setzt. Musste ein durchschnittlicher Doppelverdienerhaushalt zur Tilgung eines Kredits für eine 90 Quadratmeter großen Neubauwohnung in Wien jahrzehntelang rund 40 Prozent des Monatseinkommens aufwenden, wären es jetzt fast 70 Prozent, wie eine Analyse des Tarifvergleichsportals zeigt. Immer mehr Haushalte, die in den vergangenen Jahren ein Eigenheim mit einem variabel verzinsten Kredit erworben haben, geraten jetzt ins Schleudern.
Denn die monatlichen Mehrkosten bei einer 2021 abgeschlossenen variablen Finanzierung betragen aktuell 200 Euro. Der Experte hat sich die Kaufpreise für eine 90 Quadratmeter große Eigentumswohnung in Wien-Landstraße und die damit verbundenen Kreditfinanzierungsraten von 1997 bis heute angesehen, und dem monatlichen Nettoeinkommen eines durchschnittlichen Doppelverdienerhaushalts gegenübergestellt. Das Ergebnis: Ein Wiener Durchschnittshaushalt müsste mittlerweile theoretisch 69 Prozent seines monatlichen Nettomonatseinkommens aufwenden, um sich eine solche Neubauwohnung auf Kredit leisten zu können.
Eine Analyse der Arbeiterkammer bei neun Wiener Banken zeigt, wie hoch die Zinsbelastung bei neuen Hypothekarkrediten aktuell ist: Die variablen Zinsen bewegen sich bei ausreichender Bonität zwischen 4,125 und 5,005 Prozent, die Fixzinssätze auf 20 Jahre zwischen 3,65 und 4,255 Prozent. „Fixe Zinsen für neue Wohnkredite sind sogar niedriger als variable“, sagt Gabriele Zgubic, Leiterin AK Konsumentenpolitik. Hinzu kommen Gebühren wie die Bearbeitungsgebühr, die Kontoführungsgebühr, Pfandrechtsgebühren oder die Schätzgebühr für die Immobilie.
Doch was tun Kreditnehmer, die sich die Kreditraten ihres variablen Kredits aufgrund der gestiegenen Zinsen nicht mehr leisten können? Der erste Schritt sollte ein Gespräch mit der Hausbank sein. Gemeinsam kann man ausloten, ob der Umstieg auf eine zinsfixe Vereinbarung oder eine Verlängerung der Laufzeit die bessere Variante ist. Bei einer Laufzeitverlängerung sinkt die monatliche Rate, dafür muss länger abbezahlt werden. „Wenn man weiß, dass man sich weiter steigende Zinsen nicht mehr leisten kann, macht Umsteigen auf einen Fixzinskredit auch jetzt noch Sinn, auch wenn ungewiss ist, wie sich die Zinsen weiter entwickeln werden“, sagt Andreas Ederer.
Dass Kreditnehmer sogar im Neugeschäft immer wieder zu variablen Finanzierungen gegriffen haben, sorgt in der Oesterreichischen Nationalbank für die Befürchtung, dass diese Kredite zu den Problemfällen von morgen werden könnten. Daher warnte OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber vor „Fehlerwartungen“ und appellierte an Interessierte, im Normalfall fix verzinste Kredite zu wählen. Denn diese garantieren, dass die monatlichen Raten über die Laufzeit gleich bleiben. „In Inflationszeiten sollte man sich nicht von steigenden Zinssätzen überraschen lassen“, so Haber. Die Nachfrage nach neuen Krediten ist derweil eingebrochen, denn die hohen Zinsen verteuern den Wohnungskauf immens.