Handelsstreit mit USA: EU versucht die Flucht nach vorn
Brüssel setzt auf das Prinzip Hoffnung: Ein Handelsabkommen mit den USA könnte Präsident Donald Trump davon abhalten, europäische Autoimporte mit schmerzhaft hohen Strafzöllen zu belegen. Doch bisher fanden die EU-Staaten keine gemeinsame Linie, wie mit Washington verhandelt werden soll.
Nun ist der Weg frei: Weil es um einen rein formellen Beschluss ohne große Debatte geht, können die EU-Agrarminister der Kommision heute, Montag, mehrheitlich grünes Licht für ein Verhandlungsmandat geben. Frankreich wird zwar dagegen stimmen, kann das Anlaufen der Gespräche aber nicht blockieren. Die Zeit drängt: Bis spätestens Mitte Mai will Trump entscheiden, ob die gefürchteten Zölle kommen.
Ein Deal war doch bereits seit Längerem vereinbart. Was dauert da solange?
Im Juli 2018 wurden sich Trump und EU-Kommissionschef Juncker über die Grundzüge des Deals einig. Seither hat vor allem Frankreich gebremst. Offiziell mit der Begründung: Man verhandle nicht mit Staaten, die das Pariser Klimaabkommen nicht akzeptieren. So sieht es auch das EU-Parlament, es stimmte mehrheitlich gegen die Verhandlungen.
Ansonsten demonstrierten die Europäer ihren guten Willen und importierten nach dem Trump-Juncker-Deal aus den USA besonders viel Soja (+112 Prozent von Juli bis Dezember im Vorjahresgleich) und Flüssiggas (+181 Prozent seit Juli).
Kommt jetzt der Handelspakt TTIP in Version 2.0?
Nein, der geplante Deal fiele deutlich schlanker aus. Man wollte nämlich alles ausklammern, wo eine Einigung ohnehin unmöglich scheint. Deshalb geht es nur um die Abschaffung von Industriezöllen und etwas einheitlichere Standards.
Welche Wirtschaftsbereiche wären umfasst?
Just das Streitthema Autozölle ist ausgeklammert – übrigens auf US-Wunsch, die EU wäre zu niedrigeren Einfuhrzöllen bereit. In Brüssel mutmaßt man, dass die Amerikaner erkannt haben, dass ihre großvolumigen Pkw unabhängig von Zöllen eher schlechte Karten auf dem europäischen Markt haben. Dafür haben die Amerikaner – entgegen der Vereinbarung von Juli 2018 – Agrarprodukte in ihr Aufgabenheft geschrieben. Für die EU ist da eine völlig Marktöffnung undenkbar. Umgekehrt wollen die USA keine EU-Firmen bei öffentlichen Aufträgen der Bundesstaaten und Städte zulassen wollen.
Wer hat den Handelsstreit eigentlich losgetreten?
Das Abkommen TTIP steckte schon vorher in der Sackgasse. Abgeblasen wurden die Verhandlungen mit dem Amtsantritt von Präsident Trump, der die US-Wirtschaft unfair behandelt sah. Er verhängte Strafzölle auf Stahl- und Aluprodukte aus der EU. Die jüngste Eskalation betrifft die Flugzeugbauer Airbus und Boeing.
Worum geht es in diesem Konflikt?
Das schier endlose Hickhack vor der Welthandelsorganisation WTO zieht sich schon seit 2004 hin. Die USA werfen den Europäern vor, Airbus mit Staatbeihilfen illegal zu bevorzugen. Die Europäer behaupten dasselbe für den US-Konzern Boeing. Die WTO hat beiden Seiten in Teilen Recht gegeben. Jetzt hat Trump Vergeltungszölle in Höhe von 11 Mrd. US-Dollar angekündigt, die nicht nur Flugzeuge und Hubschrauber, sondern z.B. auch Textilien, Käse, Wein oder sogar Schnecken aus allen 28 EU-Ländern treffen würden. Eine Retourkutsche der EU liegt ebenfalls zur Genehmigung bei der WTO.
Welche Drohungen stehen noch im Raum?
Das Damoklesschwert sind angedrohte Zölle bis zu 25 Prozent auf Autos und Autoteile. Diese würden die weltweiten Lieferketten treffen, warnte Gita Gopinath, Chefökonomin des Währungsfonds: „Das wäre deutlich schwerwiegender für die Weltwirtschaft als die jüngsten Spannungen zwischen den USA und China beim Handel.“
Würde das Thema auch Österreich betreffen?
Ja, Österreich als Autozulieferland würde die Zölle spüren. Laut der Ratingagentur S&P würden diese 0,18 Prozentpunkte der Wirtschaftsleistung (BIP) kosten (Grafik). Deutschland wäre am stärksten betroffen – das Minus von 0,45 Prozentpunkte des BIP wäre schmerzlich, aber verkraftbar.
Allerdings würden wohl Jobs ins Ausland verlagert, weil die Hersteller aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks sich schwer tun würden, höhere Verkaufspreise durchzusetzen und stattdessen ihre Produktionsketten umstellen würden.
Treffen würde es spürbar die Autohersteller selbst: Die Gewinne von VW (–10 Prozent beim Ebitda), BMW und Daimler (–10 bis 20 Prozent), Fiat Chrysler und Volvo (mehr als 20 Prozent) würden laut S&P deutlich schmäler ausfallen. Besonders heftig würde es Jaguar Land Rover erwischen: Die US-Strafzölle würden den (kleinen) Gewinn völlig auffressen.