"Für viele ist es unvorstellbar, bis zur Pension zu arbeiten"
Von Simone Hoepke
Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Geburtenstarke Jahrgänge gehen in Pension, es kommen weniger Junge nach – und diese wollen oft nicht mehr 40 Stunden die Woche arbeiten. Ein Phänomen, das man auch bei vielen Babyboomern sieht, sagt die Politik- und Sozialwissenschafterin Barbara Prainsack im Club3-Interview mit KURIER, Krone und Profil.
Viele wollen kürzer arbeiten, auch weil immer mehr Aufgaben in einen Job gepackt werden. Und weil sie das Gefühl haben, sich mit Erwerbsarbeit keinen Wohlstand mehr erarbeiten zu können. Die Professorin an der Uni Wien warnt gleichzeitig vor einer Idealisierung der Vergangenheit. „Leistung hat sich für manche Gruppen, gerade ja für jene, die unbezahlt gearbeitet haben, auch früher nie gelohnt.“ Der Kauf einer Eigentumswohnung sei auch in den 1970ern nicht für jeden realisierbar gewesen. In Österreich können sich laut Prainsack unter gegebenen Umständen eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht vorstellen, bis zur Pension zu arbeiten. Prainsack: „Da liegt ziemlich vieles im Argen.“ Vielen würde es im Job an Würdigung, Sinn und Selbstbestimmung fehlen.
Die Lösung sieht sie in verbesserten Arbeitsbedingungen, mehr Selbstbestimmung und einer Arbeitszeitverkürzung. Und wohl auch in der besseren Bezahlung einzelner Berufsgruppen. Den Einwand, dass letzteres nicht leistbar ist, bezeichnet sie als „zynisch. Wir sollten uns als Gesellschaft schon fragen, in welchen Bereichen wir diesen ’wer soll das bezahlen’-Reflex haben und welchen nicht. Das sagt schon viel über uns als Gesellschaft aus.“
Der Schluss, dass kürzer arbeiten weniger Produktivität bedeutet, sei falsch. Die Zahl der Krankenstandstage und die Fluktuation würden sinken, damit auch Kosten für die Unternehmen, die auch davon profitieren, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Termine wie etwa beim Arzt, bei einer 4-Tage-Woche tendenziell auf den freien Tag legen.